Klangqualität messen - Dynamik

Als Messlatte für die Dynamikfähigkeit eines Lautsprechers verwenden wir den Anfang des Titels "Stimela" vom Album "Hugh Massekela / Hope". Dort gibt es ein relativ lang gezogenes Schlagzeug-Crescendo - bei dem sich häufig die Spreu vom Weizen trennt.

Die Passage wird nicht einfach nur lauter sondern auch zunehmend komplexer. Nur an 2 Stellen gibt es nennenswerten Pegel unter 80 Hz, aber die letzten 3 Sekunden sind Schwerstarbeit für den Lautsprecher und Verstärker.

Die Passage hat ein Pegelmaximum von 53.97% der Vollaussteuerung, der energetische Mittelwert (RMS) ist aber "nur" 6.56%. Das Verhältnis zwischen dem Maximal- und Mittelwert bezeichnet man als den Crest-Faktor. Er beträgt hier 8.23 oder 18.3 dB.

Eine noch extremere Dynamik weist das Schlagzeugsolo von Run Tutt von der legendären "The Sheffield Drum Record" Test-CD auf. Bei dem hier gewählten, noch recht "lauten" Abschnitt, beträgt der energetische Mittelwert nur 3.62% bei einer Maximalamplitude von 84.99% (Crest-Faktor 23.5 oder 27.4 dB).

Übliche Produktionen haben einen RMS-Wert von ca. 20-30%, also einen Crest-Faktor von "nur" 14-10 dB. Im Artikel Musik vergleichen mit Waveanalyzer heisst es, dass der energetische Mitelwert in etwa der subjektiv empfundenen mittlere Lautheit entspricht. Wenn man das Schlagzeugsolo also mit einer mittleren Lautstärke von 90 dB in 1 m hören will (ca. 2 V oder 1 W), dann müssten bei den Pegelspitzen 47 V oder 550 W möglichst ohne Kompressionseffekte zunächst erzeugt (Schwerstarbeit für den Verstärker) und dann in Schalldruck umgesetzt werden (Schwerstarbeit für den Lautsprecher).

Wie kann man so etwas am besten messen? Die Anforderungen an das Messsignal und die Messprozedur sind:

  1. möglichst alle relevanten Frequenzen sollen enthalten sein
  2. der Crestfaktor des Testsignals bei einer Pegelstufe sollte möglichst gering sein
  3. das Testsignal sollte in vielen feinen definierten Pegelstufen wiederholt werden die thermische und mechanische Belastbarkeit sollte nicht überschritten werden

 


 

Das Anregungssignal

Der letzte Punkt erfordert zusammen mit dem vorletzen Punkt ein relativ kurzes Testsignal pro Pegelstufe, damit bei der höchsten Pegelstufe noch keine thermische Kompression einsetzt. Die beiden ersten Punkte lassen sich am einfachsten mit einem Gleitsinus erzielen. Das verwendete Anregungssignal sieht dann so aus:

Der Pegel wird in 21 Stufen um jeweils 1 dB angehoben. Die Anregung startet z.B. mit 2Vrms (= 0.5 bzw. 1 Watt an 8 bzw. 4 Ohm) und endet beim 10-fachen Spannungs- bzw. 100-fachen Leistungswert. Da die laute Anregung nur sehr kurz ist wird eine thermische Überlastung vermieden. Eine mechanische Überlastung (z.B. bei einem Bändchen-Hochtöner) muss ggf. durch eine Filterung des Anregungssignals verhindert werden. Generell macht es Sinn das Anregungssignal auf den Übertragungsbereich zu fokussieren.

 


 

Die Auswertung

Wenn man jeden Teilabschnitt einzeln analysiert ergeben sich 21 Frequenzgänge, die im Idealfall über den gesamten Freqenzbereich um jeweils 1 dB lauter werden. Ein Chassis, welches die höhere Anregungsspannung nicht mehr linear umsetzen kann kompromiert demnach die im Signal enthaltene Dynamik.

Zunächst muss natürlich garantiert werden, dass der Verstärker das auch richtig einspeist. Statt nun 21 absolute bzw. 20 relative Frequenzgänge übereinander zu malen

ist es anschaulicher, die Abweichung zur erwarteten Dynamikerhöhung aufzutragen (ACHTUNG: Darstellung +/-0.05 dB !!):

Hier sieht man zwar recht schnell, dass die maximale Abweichung des Verstärkersignals von der erwarteten Pegelerhöhung +0.04 bzw. -0.03 dB beträgt (das ist in Anbetracht der kurzen Messdauer verschmerzbar), aber eine Zuordnung bei welchem Pegel dies auftritt ist bei 20 Kurven nicht gerade leicht.

Bei realen Lautsprechern sind die Abweichungen deutlich höher, die obige Darstellung wäre daher deutlich unübersichtlicher. Um die Darstellung besser lesbar zu machen wird von der tatsächlich beobachteten Pegeldifferenz die erwartete Pegeldifferenz abgezogen und schließlich die Abweichung über der Zeit bzw. über der Pegelstufe als Farbkarte angezeigt. In der Regel ist der beobachtete Pegel kleiner als der erwartete weil das Chassis die Dynamik komprimiert (z.B. weil es zu heiss wird). Diese Abweichungen sind daher zunehmend rot aufgetragen. Sollte das Chassis die Anregung lauter als erwartet wiedergeben wird die Abweichung zunehmend blau dargestellt.

 


 

Ergebnisse bei Hochtönern

Fangen wir mit dem Hochtöner der Trio an. Kurzzeitige 20 Vrms an 8 Ohm (= 50 Wrms) sollten für eine 25er Kalotte keine allzu großen Probleme verursachen, wenn man die Anregung auf Frequenzen > 2 kHz beschränkt. Die 20 relativen Frequenzgänge sehen wie folgt aus:

  • ab einer Pegelerhöhung um 16 dB (= 12.5 Vrms) kann der Schalldruck breitbandig nicht mehr umgesetzt werden
  • an den Bereichsenden komprimiert die KE25SC nicht

Das weiter vereinfachte Diagramm sieht dann so aus:


(VISATON KE25SC, DC-Widerstand 5.26 Ohm, Membranfläche 5.3 cm², Wirkungsgrad 90.1 dB/2.83V/m)

Wie "liest" man diese Grafik? Bei jeder Frequenz gibt die Grafik die Antwort auf die Frage: "Wenn man eine Abweichung von X dB erlaubt, wie stark darf man dann (ausgehend von der kleinsten Pegelstufe) die Anregung erhöhen?" In diesem Fall ergibt sich:

  • ab einer Pegelerhöhung um 16 dB "hinkt" der Hochtöner also breitbandig um mehr als 0.25 dB hinterher
  • ab einer Pegelerhöhung um 20 dB "hinkt" der Hochtöner von 10 - 13 kHz um mehr als 0.75 dB hinterher

Insgesamt ist das jedoch ein sehr gutes Ergebnis, in dem im Übrigen auch die Nichtlinearität des Mikros enthalten ist. Damit der Schalldruck nicht zu hoch wird musste die Messung bei 50 cm Mikrofonabstand durchgeführt werden.

Idealerweise würde die Dynamikkompression erst bei sehr hohen Anregungspegeln und bei allen Frequenzen gleichzeitg erfolgen (die zunehmend roten Flächen würden bei jeweils derselben Pegelstufe anfangen).

Bei der Beurteilung der Dynamikverläufe muss noch die Impedanz, der Spannungs-Wirkungsgrad und der Membrandurchmesser des Chassis berücksichtigt werden:
  • bei einem 4 Ohm Chassis ist eine thermische Dynamikkompression wahrscheinlicher, da ja im Vergleich zu einem 8 Ohm Chassis jeweils die doppelte Leistung eingespeist wird
  • auch ein Hochtöner ohne Ferrofluid im Luftspalt ist anfälliger für eine thermische Dynamikkompression
  • ein Chassis mit hohem Spannungs-Wirkungsgrad reagiert mit einem höheren Schalldruck und (bei gleichem Membrandurchmesser) einer höheren Auslenkung und ist daher anfälliger für eine mechanische Dynamikkompression
  • ein Chassis mit größerem Membrandurchmesser muss (bei gleichem Spannungs-Wirkungsgrad) nur geringere Auslkenkungen machen und ist daher weniger anfällig für eine mechanische Dynamikkompression

Unsere Abonnenten könnten hier noch das Dynamikverhalten der folgenden Hochtöner im Vergleich sehen:

 


 

Ergebnisse bei Mitteltönern

Hier liegen noch nicht allzu viele Daten vor. Üblicherweise wird das Eingangssignal so gefiltert, dass nur im Einsatzbereich angeregt wird:


(DAYTON RS52AN8, DC-Widerstand 5.32 Ohm, Membranfläche 22.9 cm², Wirkungsgrad 91.6 dB/2.83V/m)

  • vernachlässigbare Kompression unter -0.75 dB
  • keine Kompresion um 1.5 kHz, dort wird das Chassis ab +10 dB sogar um mehr als 0.25 dB lauter als erwartet
    -> insgesamt leicht ungleichmäßiges Kompressionsverhalten

    Unsere Abonnenten könnten hier noch das Dynamikverhalten der folgenden Mitteltöner im Vergleich sehen:

     


     

    Ergebnisse bei Tieftönern

    Hier wird zur Verbesserung des Signal-/Rauschabstandes im unteren Bereich nur von 20 bis 2000 Hz angeregt.


    (MISSION CP168M3, DC-Widerstand 7.49 Ohm, Membranfläche 136.8 cm², Wirkungsgrad 89.7 dB/2.83V/m)

  • pberhalb von 300 Hz ab +15 dB einsetzende, noch geringe Kompression
  • stärkere Kompression um 200 Hz, starke Kompression um 150 Hz
  • zwischen 50 und 100 Hz wird das Chassis ab +8 dB um bis zu 1.25 dB zu laut
    -> insgesamt recht ungleichmäßiges Kompressionsverhalten im Einsatzbereich


    (VISATON TIW300, DC-Widerstand 6.06 Ohm, Membranfläche 498.8 cm², Wirkungsgrad 92.0 dB/2.83V/m)

  • von 100 bis 500 Hz sehr geringe Kompression
  • ab 700 Hz ab +10 dB einsetzende, noch geringe Kompression
  • um 45 Hz ab +13 dB geringe negative Kompression
    -> insgesamt nur leicht ungleichmäßiges Kompressionsverhalten bis 500 Hz

    Unsere Abonnenten könnten hier noch das Dynamikverhalten der folgenden Tief-/Mitteltöner im Vergleich sehen:

    Hier geht es zum Berich für unsere Abonnenten  

    Generell fällt bei Basslautsprechern ein ungleichmäßiges Kompressionsverhalten von Bereich der Resonanzfrequenz bis zur Frequenz minimaler Impedanz auf. Bei höherer Anregung verändern sich die TSPs, wodurch die Lautstärkeänderung nicht mehr gleichmäßig erfolgt. Darüber hinaus verändert sich das Verhalten im Bereich des Impedanzminimums durch die temporäre Erhöhung der Schwingspulentemperatur. Davon sind besonders Chassis betroffen, deren Schwingspule eine geringe Wärmeaufnahmekapazität hat (kleiner Schwingspulendurchmesser, geringe Wickelhöhe, z.B. MISSION CP168M3). Prinzipiell sieht der Kompressionsverlauf so aus:

    • "zu laut" auf abfallender Impedanzflanke > Fs, da mit höherer Anregung die Resonanzfrequenz "nach links" rutscht (Impedanz wird kleiner -> höhere Leistungsaufnahme)
    • "zu leise" auf abfallender Impedanzflanke < Fs, da mit höherer Anregung die Resonanzfrequenz "nach links" rutscht (Impedanz wird größer -> geringere Leistungsaufnahme)
    • "zu leise" bei Impedanzminimum wegen Impedanzerhöhung (Spulentemperatur)
    Bei den Bässen fallen vor allem der DAYTON RS180S8 und der VISATON TIW300 positiv auf. Da das Schlagzeug-Crescendo bei Stimela besonders viel Energie um 100 und 200 Hz hat scheint dieser Bereich besonders kritisch für die kompressionsfreie Wiedergabe dieses Abschnitts zu sein.

     


     

    Und die Moral von der Gschicht' . . .

    Unterschiedliche Chassis sind unterschiedlich gut in der Lage Dynamiksprünge kompressionsfrei wiederzugeben:
    • Bei Kalotten-Hochtönern scheinen die Unterschiede gering zu sein
    • Bei den beiden gemessenen Magnetostaten konnte ein tendenziell stärkerer Hang zur Dynamikkompression festgestellt werden
    Besonders kritisch scheinen Basslautsprecher mit Schwingspulen zu sein, die nur eine geringe Wärmekapazität und ein geringes lineares Verschiebevolumen haben. Hier ändern sich die TSPs besonders stark mit der Höhe des Anregungssignals, so dass die Pegelerhöhung nicht mehr für alle Frequenzen gleichmäßig ausfällt.
    Einige Chassistypen wie Bändchen-Hochtöner, Hornhochtöner, Breitbänder und Konusmitteltöner fehlen noch auf der Liste. Dann sind die Erkenntnisse zum Bau einer "dynamischen" Box komplett . . .

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