
Kompakter Hochleistungshochtöner von SICA
Kalottenhochtöner gibt es wie Sand am Meer. Kaum eine andere Entwicklung der
letzten 50 Jahre hat sich auf so breiter Bassis durchgesetzt und den vorher dominierenden
Konushochtöner fast vollständig verdrängt.
Der italienische Hersteller SICA beglückt uns mit einem besonders kompakten Exemplar
mit nur 90mm Frontplattendurchmesser, der aber mit jeder Menge "inneren Werten"
aufwartet. Besonders interessant erschien uns der hohe Wirkungsgrad von über 93
dB/2.83V/m, der NICHT durch eine niedrige Impedanz geschönt wurde.
Uns wurde zugetragen, dass er kein Kind von Traurigkeit sein soll, also haben
wir ihn gleich bis 100 dB gequält (Klirrfaktor) und den Dynamiktest mit bis zu 20
Volt durchgeführt (entsprechend 110 dB in 1m). Wie er die Tortouren in unserer Folterkammer
überstanden hat erfahrt ihr im Datenblatt zum Sica LP90.28/N92TW.
Chassis-Datenblatt ©
www.hifi-selbstbau.de
So werden Lautsprecherchassis von HiFi-Selbstbau gemessen |
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Hersteller:
SICA |
Typ: LP90.28/N92TW (Z009160), 8 Ohm |
Datenblatt des Herstellers |
Foto des Chassis
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Membranfläche: |
Außendurchmesser:
Innendurchmesser:
Plugdurchmesser:
-> Membranfläche Sd: |
36 mm
28 mm
0 mm
8.0 cm² |
TSP (Mittelwert und Streuung
von 2 Chassis, Anregung -12 dB): |
Resonanzfrequenz Fs
DC-Widerstand Rdc
Mechanische Güte Qms
Elektrische Güte Qes
Gesamtgüte Qts
Wirkungsgrad Eta (1m, 2.83V, Halbraum) |
596.35 Hz (+/-1.4%)
5.89 Ohm (+/-1.3%)
2.879 (+/-8.2%)
0.598 (+/-22.6%)
0.495 (+/-20.2%)
93.22 dB (+/-0.11)
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Pseudorauschen > 1000 Hz (0°, 15°, 30°, 45°, 60°; MP3 42 kB)
{audio}/images/stories/chassis/Sica_Z009160/Z009160_1V_SPLdeg.mp3{/audio}



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Sprungantwort (Chassis 1, 20 cm, 0°)
Zerfallspektrum (Chassis 1, 20 cm, 0°)
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Klirrfaktor bei 85 bis 100dB/1m (Halbraum)
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Kompletter Datensatz beider Chassis (Impedanz, Schalldruck, Bündelungsgrad
und Schallleistung im OCT-Format, Klirrfaktor und komplexer Frequenzgang
als TXT-Datei, ZIP, 58 kB)
Hinweis: Beide Chassis sind nicht eingerauscht!
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Unsere Meinung:
- Der äußere Eindruck:
Der Z009160 sieht sehr kompakt aus - und ist es auch. Die Frontplatte
aus Druckguss ist nur 90 mm im Durchmesser, beherbergt aber eine ausgewachsene
28 mm Kalotte. 2 stabile, eingegossene Bügel sorgen ebenso für einen
Berührungsschutz wie die leicht konisch geformte Frontplatte. Auf die
Nase legen sollte man eine Box mit dem Hochtöner jedoch lieber nicht,
da die Bügel leicht vorstehen.
Das Magnetsystem ist mit einem Durchmesser von 60 mm zwar kompakt, dank
Neodym wird dennoch eine Flussdichte von 1.8 Tesla erzeugt. Ein angekoppeltes
Luftvolumen verspricht eine niedrige Resonanzfrequenz.
- Die TSP:
Die gemessenen TSPs stimmen bei der Resonanzfrequenz gut mit der Herstellerangabe
von 600 Hz überein, die Güten liegen jedoch höher als beim Hersteller.
Die Bestimmung der TSPs ist beim LP90.28/N92TW allerdings auch nicht
ganz ohne, da der Impedanzverlauf nicht besonders gut dem Standard-Impedanzmodell
entspricht (Nebenpeaks bei 1150 und 2600 Hz). JustDisp verweigerte beim
Chassis 1 sogar die Speicherung der ermittelten TSPs, da die Abweichung
> 5% war.
Wie bei Kalotten-Hochtönern üblich ist der Impedanzverlauf kaum von
Anregungspegel abhängig.
Eine Resonanzfrequenz von knapp 600 Hz mit einer Güte von knapp 0.5
verspricht einen außergewöhnlichen Tiefgang mit einem Abfall von nur
6 dB bei 600 Hz. Demzufolge wäre das Wirkungsgradmaximum von knapp 95
dB bei gut 3 kHz ein schalldruckverstärkender Effekt der Schallführung.
Die Streuung der TSPs ist bei den Gütewerten relativ groß. Die Chassis
waren nicht eingerauscht, weil das erste Paar die Einrauschprozedur
nicht überstanden hatte. Die Anregungsspannung betrug zwar nur 1.5 Vrms,
zum einen hat der SICA Z009160 einen hohen Wirkungsgrad (macht also
viel Hub pro Eingangsspannung), zum anderen lag das Maximum der Rauschanregung
im Bereich der Resonanzfrequenz, so dass es einen Dauerbruch der Schwingspulenzuleitung
gegeben hat. Hier müssen wir bei besonders weich aufgehängten Hochtönern
offenbar deutlich konservativer anregen.
- Der Frequenzgang:
Bis 2 kHz verläuft noch alles wie üblich: der Z009160 zeigt einen flachen
und kontinuierlichen Abfall des Frequenzgangs (ca. 6 dB Abfall bei 600
Hz), wie die TSPs es vermuten ließen. Über 2 kHz zeigt der Z009160 auf
Achse aber einen eher welligen Verlauf: zunächst folgt ein 2 dB hohes
Plateau von 2.5 bis 4.5 kHz, dann ein Einbruch von 1 dB um 6 kHz und
schließlich ein 2.5 dB hoher Peak um 12.5 kHz - der Z009160 ist offenbar
nicht auf einen perfekt linearen Frequenzgang auf Achse optimiert. Dafür
sieht das Rundstrahlverhalten sehr gleichmäßig aus: zwischen 3 und 6
kHz ist schon eine kleine, gleichmäßige Richtwirkung vorhanden (unterdrückt
Schallwandreflexionen), erst darüber setzt die Bündelung verstärkt ein. Der winkelgewichtete Schalldruck zeigt ein breites, weitgehend symmetrisches
Maximum um 2.8 kHz. Es bietet sich also an den Hochtöner "zu früh" zu
trennen (z.B. 4.5 kHz, - 3 dB Abfall, 12 dB Steilheit) um dann eine
akustische Trennfrequenz von ca. 2.5 kHz zu erreichen. Dies berücksichtigt
jedoch noch nicht die Schallwandgeometrie. Positioniert man den Z009160
"geschickt" auf einer 20 x 30 cm großen Schalland und beschaltet man
ihn "geschickt" sagt Boxsim folgendes Verhalten voraus:

Unsere Abonnenten können das Boxsim-Modell
hier herunterladen.
Wer noch tiefer trennen will muss die Überhöhung im (Energie-) Frequenzgang
mit einem Sperrkreis bekämpfen. Und wer aktiv entzerrt hat wie immer
deutlich mehr Freiheitsgrade. Beide Chassis verhalten sich auf Achse weitgehend identisch. Selbst
wenn mal alle gemessenen Winkel gewichtet ist die Abweichung gering. Die Sprungantwort zeigt einen 2. Peak 0.057 ms (= 19.5 mm) später als
den ersten Peak. Dies könnte eine Reflexion am äußeren Polkernrand sein,
obwohl der Zwischenraum durch ein 7mm hohes Schaumstoff-Formteil ausgefüllt
ist. Der Polkern ist durchbohrt (Durchmesser 12 mm), aber auf der kompletten
Länge nicht mit Absorptionsmaterial gefüllt. Erst das rückwärtig angekoppelte
Volumen ist mit Absorptionsmaterial gefüllt. Hier besteht eventuell
noch Tuningpotenzial für den fortgeschrittenen DIYler. Die "großräumige"
Zwangszentrierung erleichtert die (De-) Montage, dank fehlendem Ferrofluid
gibt es auch keine Sauerei.




- Der Klirrfaktor:
Der "harmonische" Klirrfaktor K2 verläuft fast über den gesamten Frequenzbereich
linear und ist deutlich vom Anregungspegel abhängig. Demgegenüber zeigt
sich der "unharmonische" K3 bis zu einem mittleren Schalldruckpegel
von 95 dB kaum vom Anregungspegel beeindruckt. Höherer Klirrfaktor findet
fast nicht statt.
Bei einem mittleren Schalldruckpegel von 85 / 90 / 95 / 100 dB liegt
K2 im Frequenzbereich oberhalb von 1600 im Mittel bei 0.32 / 0.55 /
0.97 / 1.82%. Für K3 gilt in diesem Bereich ein Mittelwert von niedrigen
0.08 / 0.08 / 0.10 / 0.22%
Nach unseren Untersuchungen (Klirrfaktor
- wie viel ist zu viel?) wäre K2 zwischen 85 und 100 dB im untersuchten
Frequenzbereich komplett unhörbar. Für K3, K4 und K5 gilt dies "nur"
oberhalb von 1400 Hz.
Hinweis: Es wurde das etwas bessere Chassis 2 gezeigt. Wir
gehen davon aus, dass ein Einrauschen die vorhandenen Restgrate des
Chassis 1 beseitigt hätte. Bei den Mittelwerten wurden aber beide Chassis
berücksichtigt.
- Die Pegellinearität:
Trotz eines relativ hohen mittleren Wirkungsgrads von 93.2 dB/2.83V/m
und trotz einer Anregungsspannung bis 20 Vrms und trotz einer unteren
Grenzfrequenz von 1600 Hz gibt es bis 19 dB rel. 2V (= 109.2 dB in 1m)
nur eine Dynamikkompression bis 0.5 dB - das ist einfach nur sensationell.
Da merkt man wo das Chassis herkommt - bzw. wo es eingesetzt werden
soll.
HiFi-Selbstbau-Fazit:
Der SICA LP90.28/N92TW ist ein kompakter Hochleistungshochtöner. Er
ist nicht - wie im HiFi-Bereich üblich - auf maximal linearen Frequenzgang
auf Achse getrimmt sondern auf eine geringe Richtwirkung schon ab 3 kHz
um Schallwandreflexionen zu unterdrücken. Passiv ist er recht einfach für
eine Trennfrequenz bei etwa 2.5 kHz zu beschalten, vom Klirrfaktor her würde
er auch bis 1600 Hz runter spielen.
Mit einem UVP von 50 € ist er ein Schnäppchen, insbesondere wenn man
den hohen Wirkungsgrad und den hohen Maximalschalldruck auch nutzen kann.
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Kommentare
Schallwand 22 cm breit, Kalotte 8 cm vom Rand und 12 cm von oben, Fasen 2-3 cm.
C1 sollte zwischen 10 und 15 µF liegen und beeinflusst die untere Grenzfrequenz, L1 ist 0,47 mH und deren Innenwiderstand beeinflusst den Peak am unteren Ende des Übertragungsber eich (1-3 Ohm sind sinnvoll), C2 beeinflusst den Bereich um 2,5 bis 5 kHz.
Das gibt je nach Bauteilwerten eine Grenzfrequenz von um die 1,5 kHz, bei 93 dB und 24 dB akustischer Flankensteilhei t. Ab 7 kHz fängt das Chassis dann an zu peaken, hier kann man den Hochton durch Einwinkeln einstellen.
Dieses Ding kann wirklich in großen Frequenzbereich en verdammt viel einstecken!
Da finde ich das kleine eingebaute Waveguide eigentlich sogar suboptimal, das begrenzt unnötigerweise die untere Grenzfrequenz. Mit einem passenden, größeren Waveguide könnte man da noch viel tiefer kommen. Horngeladen sollte der doch sogar 1k mitmachen, oder? Der jetzige Einsatzzweck entspricht halt eher dem PA-Bereich.
Zum Glück wurde hier auch endlich meine größte Frage zu diesem Schätzchen beantwortet, nämlich ob sich die Front ohne Schwingsystem abnehmen lässt. Da es geht steht der Verbindung mit verschiedenen Waveguides/Hörn ern wohl nichts mehr im Weg.
Theo, Pico, habt ihr Lust, mal das WG-300 vor die Lotte zu setzen und solange zu kürzen, bis es passt? Ich vermute, dass sich dann der Frequenzgang auf Achse und das Bündelungsverha lten so ändern, dass sich das Ding problemlos passiv unter 2k trennen lässt.
Ciao,
Spatz