Vor einiger Zeit ereilte mich eine Anfrage mit der Bitte, bei der raumakustischen Planung eines neuen Hörraumes behilflich zu sein. Na ja, so was ist eigentlich immer eine undankbare Aufgabe. Erst muss man sich mühsam alle Daten besorgen, dann ein Modell erstellen und viele Varianten durchrechnen, bis man eine Empfehlung abgeben kann. Und das Ganze, ohne den Raum jemals gesehen zu haben und ohne die Möglichkeit dort mal Musik zu hören. Schließlich kann man eher die "groben Sachen" (z.B. stehende Wellen, Nachhallzeit) berechnen, "Feinheiten" wie z.B. Räumlichkeit sind nur schwer vorherzusagen. Da ist der Frust beim Fragensteller ("klingt trotzdem sch...") und beim Fragenbeantworter ("viel Arbeit und dann auch noch meckern . . .") vorprogrammiert.

 


 

Raumakustiksimulation mit AKUSTIKA und CARA

In diesem Fall war die Vorarbeit aber so gut,

dass ich wenig nachfragen musste, und so habe ich einfach mal ein paar Simulationen mit AKUSTIKA (Gratisdownload) durchgeführt. Da ist der Modellieraufwand sehr gering und man bekommt relativ schnell ein "Gefühl" dafür, wie die Zusammenhänge sind (alternativ kann man zum "Rumschieben" auch den sehr schnellen JAVA-Rechner verwenden, da gibt es dann aber nicht die Möglichkeit mit den Schalldrucklandkarten).

Zunächst wurden die Raumabmessungen eingeben. Für die Wände wurde ein Reflexionsgrad von 0.95 angenommen (95% des auftreffenden Schalldrucks wird reflektiert). Das entspricht einem Absorptionsgrad Alpha von 1 - 0.95² = 9.75%, was im betrachteten Frequenzbereich von 20 bis 200 Hz schon relativ optimistisch ist, auch wenn im Bodenbereich Parkett verwendet wurde (Vergleiche dazu auch die Materialtabelle. Die Lautsprecher (Höhe 0.5m) und Hörpositionen (Höhe 1.0m) wurden zunächst wie vorgeschlagen übernommen.
Die Aufstellung der Lautsprecher auf der "schmalen" Seite kann wegen der Wandnähe für die Abbildung zwar problematisch sein. Bei Aufstellung auf der "langen" Seite wäre allerdings der Wandabstand sowohl zu den Lautsprechern als auch zum Hörplatz sehr gering und es wären kaum Korrekturen möglich. Außerdem wird der Raumeinfluss durch den relativ geringen Abstand zwischen Lautsprecher und Hörposition ja ohnehin etwas reduziert.

Damit ergibt sich mit AKUSTIKA V6.0 der folgende Frequenzgang (Rechentiefe = 5, Reflexionen bis 210 ms werden berücksichtigt):

Was ist denn da zwischen 30 und 50 Hz los? Das ließ sich auch nicht durch leichtes Verschieben der Hörposition oder der Lautsprecher verändern (wobei diese immer symmetrisch zur Längsachse angeordnet waren). Das musste etwas mit den Längsmoden bei (170 [m/s] / 6.2 [m] =) 27 Hz und 54 Hz und der 1. Quermode bei (170 / 3.2 =) 53 Hz zu tun haben.

Na, da habe ich mir dann für verschiedene Frequenzen erst mal Schalldrucklandkarten ausgerechnet (das geht mit einem 400 MHz-Pentium II auch noch recht schnell). Bei so einer Schalldrucklandkarte wird die Lautstärke in einer Ebene (z.B. Ohrhöhe von 1.0m) in Graustufen dargestellt.

Frequenz
[Hz]
Schalldruckkarte
(je dunkler desto laut)
Mittel
[dB]
Max
[dB]
Min
[dB]
Abw.
[dB]
Bemerkung
Lage der Lautsprecher
und Hörposition
30 Hz 11.55 20 -12 13.85 Längsmode 27.4 Hz
35 Hz 1.39 13 -14 7.65
40 Hz -7.92 6 -30 11.12
45 Hz -0.55 6 -7 4.10
50 Hz 0.20 12 -18 6.71
55 Hz 9.73 17 -14 10.93 Längsmode 54.8 Hz
kaum Quermode bei 53.1 Hz
60 Hz 1.90 10 -19 5.72
65 Hz -2.15 9 -20 6.61
70 Hz -0.38 5 -20 3.97
75 Hz 4.25 12 -16 6.52
80 Hz 7.54 16 -31 9.90 Längsmode 82.3 Hz
85 Hz 9.01 17 -12 10.99 Längsmode 82.3 Hz
90 Hz 4.13 10 -12 5.80 Längsmode 82.3 Hz
95 Hz 5.50 16 -6 6.96 Längsmode 82.3 Hz
100 Hz 4.56 20 -16 9.20 Längsmode 82.3 Hz
105 Hz 1.38 11 -18 5.64 Längsmode 110 Hz
kaum Quermode bei 106 Hz
110 Hz 4.63 17 -18 7.93 Längsmode 110 Hz
kaum Quermode bei 106 Hz

Wie man sieht ist die Hörposition schon ganz günstig gewählt. Bei vielen Frequenzen gibt es jedoch recht hohe mittlere Abweichungen von über 10 dB und die mittlere Energiedichte reicht von +11.55 dB bis -7.92 dB. Das ist in etwa die Spannbreite die auch der Frequenzgang am Hörplatz zeigt.

Na, das schien ja ein schwieriger Fall zu werden. Da muss man wohl vor allem die Längsmoden bekämpfen. Für solche Variationen ist AKUSTIKA allerdings weniger geeignet, da nur 3 verschiedene Reflexionsgrade eingegeben werden können, und zwar einer für Decke und Boden gemeinsam, einer für die Seitenwände (links/rechts) und einer für die Stirnwände (vorne/hinten). Der Reflexionsgrad einer einzelnen Wand oder gar Abschnitte davon sind nicht festlegbar.

Dafür muss man schon tiefer ins Nähkästchen greifen und ein so mächtiges Tool wie CARA verwenden. Hier kann man zwar fast alles definieren und dadurch den Hörraum ziemlich originalgetreu modellieren, aber das ist eben auch sehr aufwändig. Und die Berechnung des Schallfeldes dauert dann auch seine Zeit (s.u.) . . .

Und so sieht der modellierte Raum dann aus (die Verschiebebereiche für die Aufstellungsoptimierung sind schraffiert):

Besonders leistungsfähig finde ich die 3D-Ansicht (hier sieht man, dass man bei der Box neben der Gesamtgröße sogar die Größe und Lage der Chassis modellieren kann). Ich habe CARA sogar schon mal als reines 3D-CAD-Programm "missbraucht" um die Integration von Lautsprechern zu visualisieren:

Ziemlich schnell erhält man auch einen Überblick über das sogenannte "akustische Raumklima" (die Nachhallzeit). Das kann man sich allerdings auch relativ schnell "zu Fuß" (oder besser mit EXCEL) ausrechnen, wie im 2. Teil der Raumakustik-Grundlagen gezeigt wurde.


Das Ergebnis ist nicht weiter verwunderlich: da es kaum mittel- und tieffrequente Absorption im Hörraum gibt liegt die Nachhallzeit in diesem Frequenzbereich deutlich über dem empfohlenen Wert -> da sind dröhnende Bässe vorprogrammiert!
Hinweis: Unterhalb von 125 Hz sind keine Absorptionswerte definiert, daher wird darunter eine Gerade gemalt. Höchstwahrscheinlich steigt die Nachhallzeit < 125 Hz sogar noch an! Unterhalb von 125 Hz sind keine Absorptionswerte definiert, daher wird darunter eine Gerade gemalt. Höchstwahrscheinlich steigt die Nachhallzeit < 125 Hz sogar noch an!

Im ersten Schritt sollte man erst mal eine sogenannte Spezialberechnung durchführen, die den Frequenzgang und die Ortung bei der aktuellen Aufstellung berechnet. Das geht noch relativ schnell:


Das Ergebnis sieht gar nicht mal so schlecht aus! OK, auch hier gibt es eine saftige Bassüberhöhung unterhalb von 50 Hz und um 87 Hz und ein paar starke Einbrüche. Der Frequenzgang sieht aber schon anders aus als bei AKUSTIKA, da sowohl der Raum als auch das Boxenmodell von CARA viel detaillierter ist (z.B. Lage des Bassreflexrohrs hinten nur 15 cm über dem Boden etc.). Auch das Ortungsdiagramm sieht gut aus, wahrscheinlich dank der relativ geringen Hörentfernung.

Wenn man sich das Schallfeld berechnen lassen will sollte man schon einen etwas schnelleren PC haben, denn sonst dauert das - je nach Komplexität des Raumes - leicht auch mal über 5 Minuten. Dann kann man sich Schalldrucklandkarten bei verschiedenen Frequenzen, die Entwicklung des Schallfeld über der Zeit bei Wiedergabe eines Impulses oder komplex gewichtete Ergebnisse wie Klangfärbung, Lokalisation, Sprachverständlichkeit etc. ansehen, sogar in bunt!

Leider lassen sich die "Filmchen" nicht so ohne weiteres abspeichern, um sie anderen Leuten zu zeigen (außer man fotografiert jeden einzelnen Bildschirm ab und macht ein animiertes GIF daraus . . .). Da sollten sich die CARA-Leute mal was überlegen . . .

Na ja, und wie finde ich jetzt die optimale Position für die Lautsprecher und den Hörplatz? Auch da gibt es einen Menüpunkt "Aufstellungsoptimierung", den man allerdings mit Vorsicht genießen sollte. Denn das dauert selbst bei einem Pentium4 mit 2 GHz wirklich lange (> 1 Stunde)! Dazu kann man vorher den "erlaubten" Verschiebebereich angeben (im obigen Bild durch Rechtecke um die Lautsprecher bzw. Hörposition angedeutet), der dann der Reihe nach durchgerechnet und gewichtet wird (Frequenzgang, Frequenzbereich, Ortung etc.). Die einzelnen Gewichtungsfaktoren und die Zielfunktion für den Frequenzbereich können individuell angegeben werden. Da ist der Gelegenheitsanwender aber doch eher überfordert und sollte die Standardeinstellungen verwenden.

Und wenn man dann raumakustische Maßnahmen durchführen will (z.B. "dickerer" oder größerer Teppich, Einsatz von Absorbern etc.) dann darf man das Ganze noch mal wiederholen. Und gehört hat man immer noch nix.

Wer allerdings die CARA-Version 2.2 PLUS sein eigen nennt, kann im Menüpunkt "Auralisation" die Raumimpulsantwort berechnen und damit z.B. eine WAVE-Datei manipulieren (Fachbegriff: falten). Leider verweigert CARA das Laden von Dateien die mit GoldWave bearbeitet worden sind, da dieses Programm noch einen Copyright-Vermerk an das Ende der Datei anhängt (dafür mag GoldWave auch nicht die gefalteten WAVE-Dateien kommentarlos laden, denn CARA hängt auch einen Copyright-Vermerk an). Und das akustische Endergebnis ist natürlich auch von dem simulierten Frequenzgang des modellierten Lautsprechers abhängig. Wenn dieser nicht dem realen Lautsprecher entspricht, dann klingt es auch anders. Für viele aktuelle Lautsprecher sind die kompletten Inputdaten für CARA verfügbar, so dass der betreffende Lautsprecher einfach aus einer Liste ausgewählt werden kann.

Im Folgenden habe ich mal eine Pulsfolge generiert (alle 0.5 sec. 128 Samples on, erst beide Kanäle, dann links, dann rechts) und diese durch die Auralisationsroutine geschickt. Im MP3-File kommt erst das originale Eingangsignal, dann das Ausgangssignal des modellierten Lautsprechers bei völlig absorbierenden Wänden und dann das berechnete Ausgangssinal im modellierten Raum:

Pulsfolge (MP3-Datei, 77 kB)

Der Vergleich der ersten beiden Teile zeigt die Qualität des Lautsprechers (bzw. dessen Modellierung), der Vergleich der letzten beiden Teile den Einfluss des Raumes. Ziemlich desillusionierend, gell? So ganz mag ich dem Braten aber nicht trauen, immerhin erlaubt sich CARA beim 2. und 3. Teil noch ein kleines Vorecho vor dem ersten gemeinsamen Puls und kurz vor Schluss (das ich absichtlich nicht nachgebessert habe). Außerdem hört man ja anders als ein Mikrofon, und in der Bedienungsanleitung bzw. Hilfe von CARA steht nichts davon, das die HRTF (Head Related Transfer Function = kopfbezogene Übertragungsfunktion) berücksichtigt worden ist. Das Ergebnis scheint auch stark davon abzuhängen, wie die Lautsprecher modelliert wurden. Und für die Begrenzungsflächen wurde ja unter 125 Hz auch keine Information zum Absorptionsgrad angegeben (daher ist die berechnete Nachhallzeit unterhalb von 125 Hz auch konstant, was nicht ganz der Realität entsprechen dürfte).

Das ist eben die Krux eines Simulationsprogramms: das Endergebnis steht und fällt mit der Qualität der Eingangsdaten. CARA erlaubt da zwar schon wesentlich mehr Details als AKUSTIKA, aber auch hier fehlen noch einige Daten. Wenn Raum und Lautsprecher vorhanden sind ist ein Ausprobieren am "lebenden Objekt" auf jeden Fall vorzuziehen . . .

Tja, wie schon oben gesagt: nachdem ich mir nur viel Arbeit mit der Modellierung gemacht habe bin ich auch nicht viel schlauer als vorher bzw. komme zu keinen anderen Empfehlungen als nach den Modellierungen mit AKUSTIKA:

  • Zur Unterdrückung der Längsmodem sollte die Rückwand möglichst absorbierend ausgeführt werden. Ich empfehle um das Bücherregal herum die gesamte Rückwand z.B. mit ca. 15cm dicker Mineralwolle mit ca. 20cm Wandabstand so aufzufüllen, dass das Bücherregel wie in die Wand eingebaut aussieht. Mit einem stoffbespannten Rahmen kann man auch für eine entsprechende Optik sorgen. Durch Einpacken der Mineralwolle in Kunststofffolie können gesundheitsschädliche Bedenken ausgeräumt werden. Außerdem wird die hochfrequente Absorption reduziert.
  • An den Seitenwänden sollten Absorber (z.B. 70mm Noppenschaumstoff) so angebracht werden, dass die energiereiche 1. Reflexion reduziert wird.
  • Zwischen Hörplatz und Lautsprecher sollte ein hochfloriger Teppichboden platziert werden, damit die energiereiche 1. Reflexion reduziert wird.

Der Tag des Umzugs rückte näher und die Anlage wurde erst mal ohne die zusätzlichen Absorber aber mit kleinem Teppich im neuen Hörraum aufgestellt. Und es klang . . . katastrophal! Der Mann erkannte seine schöne Anlage nicht wieder! Tja, und da klingelte dann das Telefon und wir überlegten, was zu tun sei. Der Raum war in dem Zustand SEHR hallig (beim Laufen über das Parkett erschrak man fast und selbst beim Telefonieren hatte man auf der anderen Seite das Gefühl, da stünde jemand im Rohbau) und der Bass dröhnte vor sich hin. Als nächstes wurde ein größerer und dickerer Teppich platziert (bracht aber auch nicht viel) und dann ging es ab in den Baumarkt, Mineralwolle und Kunststofffolie kaufen. Das hat im Bassbereich zwar eine deutliche Verbesserung gebracht, aber es klang immer noch viel schlechter als vorher.

Das ist auch verständlich: die Lautsprecher wurden so ausgewählt, dass es im "alten" Hörraum (mit seinen individuellen Fehlern) gut klang. Im "neuen" Hörraum mit anderen Fehlern würde man sich wahrscheinlich für andere Lautsprecher entscheiden, die besser mit dem neuen Hörraum harmonieren!

Außerdem sah es nicht gerade schön aus. Daher hat sich der Mann professionelle Absorberelemente besorgt, die allerdings - leider - zu breitbandig absorbierten. Damit ließ sich zwar der Bassbereich weiter verbessern, aber im Mittel- und Hochtonbereich wurde nun zuviel absorbiert und es klang leblos. Und wieder klingelte das Telefon. Da es mich reizte mal mit solchen Absorberelementen rumzuspielen und da der Fragesteller schon so viel Vorarbeit geleistet hat habe ich mich dann trotz der räumlichen Distanz von 150 km überreden lassen mal vorbeizukommen. Im Hinterkopf hatte ich natürlich auch, dass man das ja für einen schöne Artikel über Raumakustik verwenden könnten (den ihr gerade vor euch habt).

 


 

Messungen vor Ort

Nach einer kurzen Hausbesichtigung und einer Tasse Kaffee waren meine Ohren wieder ausgeruht und wir hörten erst mal etwas bekannte Musik. Im Laufe der Jahre habe ich mir ein bestimmtes Musikrepertoire zusammengestellt, das ich sehr gut kenne und von dem ich zu wissen glaube, wie es wiedergegeben werden muss bzw. wie es in einer Vielzahl von Musikwiedergaberäumen über gute bis sehr gute Anlagen im Mittel klingt:

Nr Gruppe Titel CD Jahr Worauf achten
1 Bobby McFerrin Blackbird The Voice 1984 Glaubwürdige Stimme bzw. Geräusche (z.B. Luftholen, Klatschen)
2 Jefferey Smith Eleanor Rigby A Little Sweeter 1997 Sehr (charakter-) volle Stimme, Klavier dumpf im Hintergrund
3 The King's Singers Back In The U.S.S.R. The Beatles Collection 1986 Vokalbass nicht zu dominant, einzelne Einwürfe leicht zu orten
4 Vocaleros Superstition Vocaleros 1997 Da muss die Post abgehen, jeder einzelne Einwurf muss einfach zu orten sein
5 Brent Lewis Mumbo Jumbo Pulse . . . Where The Rhythm Begins 1995 Sehr breite räumliche Staffelung, einfach zu orten
6 Talking Horns Johann, der Tango kommt Fisch im Wasser * Nur mit 2 Mikros aufgenommen
7 The Oscar Peterson Trio You Look Good To Me We Get Requests 1965 Satter walking Bass
8 Oscar Peterson Dream Of You Reunion Blues 1972 Bass ganz außen links, Schlagzeug dezent, Vibraphon SEHR breit (einzelne Töne müssen nachverfolgbar sein, auch in der Mitte), dumpfes Klavier darf nicht zugematscht sein
9 Melissa Walker I'm A Fool To Want You May I Feel 1997 Sehr räumlich ohne allzu viel "Pseudo"-Hall
10 Jennifer Warnes Somewhere, Somebody The Hunter 1992 Sehr breiter Pseudoraum, beide Sänger mittig (achten sie auf deren räumliches Wechselspiel)
11 Keb' Mo' Just Like You Just Like You 1996 Sehr erdig, die (Mit-)sänger müssen auseinandergehalten werden können
12 Holly Cole Jersey Girl Temptation 1995 Sehr dicker Bass, alle Instrumente sehr dezent, Stimme voll, eher geknurrt
13 Mighty Sam McClain Too Proud Give It Up For Love 1993 Sehr spitzes Schlagzeug, auch bei lauten Passagen nicht nervig (Sänger bleibt unbeirrt)
14 Marla Glen Personal This Is Marla Glen 1993 Kehlige, dunkle Stimme, fetzige Trompeten, macht Lust auf mehr
15 Hugh Massekela Stimela Hope * Fortestellen müssen mit Druck kommen, realistische Stimme
16 Yello Tied Up Flag 1988 Das beste Stück der Schweizer Soundtüftler. Da muss die Post abgehen!

Der Raum befand sich im Zustand maximaler Bedämpfung (s.u.). Schon beim ersten Stück fehlte mir z.B. das Luftholen des Sängers, von der Live-Athmosphäre war kaum etwas zu spüren. Die Stimme wurde etwas zu voll und zu wenig nasal wiedergegeben. Von der Klangbalance her waren das aber eher Nuancen, nur: das Ganze klangt völlig "tot"! So schlecht hatte ich diese Aufnahme schon lange nicht mehr gehört, da war irgendetwas oberfaul. Dieser erste Eindruck bestätigte sich auch bei den nächsten Stücken.

Ich konnte mir kaum vorstellen, dass das an der Raumakustik liegen sollten und hatte zunächst mal die Lautsprecher (NUBERT NuWave125) in Verdacht. Um die Raumrückwirkung zu unterdrücken und den Übertragungsbereich der Einzelchassis getrennt zu ermitteln habe ich zunächst mal die Lautsprecher im Nahfeld untersucht. Sofern möglich wurde der nicht betriebene Zweig abgeklemmt (Bi-Wiring-Anschluss) :
Eine Messung, die ist lustig, eine Messung, die ist schön . . .

  • Die Nahfeldmessungen am Bassmitteltöner und am oberen bzw. unteren Bass (jeweils bei deaktiviertem Hochtöner) sehen zunächst einmal in beiden Kanälen sehr ähnlich aus (die Nahfeldmessung reagiert sehr empfindlich auf geringfügig andere Messentfernung)
  • Auffällig bei allen Messungen ist die Resonanz bei 27 Hz und der Einbruch bei 32 Hz. Dies müssen sehr ausgeprägte Raumresonanzen sein, die sich trotz des sehr geringen Messabstandes von nur 5 cm zur Membran in den Vordergrund schieben!
  • Der Frequenzgang des Tiefmitteltöners ist vorbildlich ausgeglichen und zeigt keinerlei Resonanzen am oberen Übertragungsende. Nur um 1500 Hz deutet sich ein kleines "Loch" an.
  • Bereits ein einzelner Basslautsprecher ist geringfügig lauter als der Bassmitteltöner. Durch die Parallelschaltung beider Bässe dürfte die Box im Bassbereich 6 dB lauter als im Mitteltonbereich sein (bei etwa 200 Hz wären dann beide Teilbereiche gleich laut)!
  • Die Bässe zeigen lediglich einen relativ flachen Abfall zu höheren Frequenzen hin, so dass sich ein breiter Überlappungsbereich mit dem Bassmitteltöner ergibt. Der Gesamtfrequenzgang hängt damit sehr von der Phasenlage der Einzelsignale ab!

  • Die Nahfeldmessungen am Hochtöner zeigen die Wirkung des Pegelstellers. Beide Kanäle sehen sehr unterschiedlich aus! Hier liegt entweder ein Defekt eines Hochtöners (z.B. eingetrocknetes Ferrofluid) oder der Frequenzweiche vor! Darunter dürfte die räumliche Abbildung stark leiden! Der Hersteller zeigte sich bei Vorlage der Messergebnisse übrigens sehr kulant und hat ein neues Paar Hochtöner zum Austausch zugesendet!
  • Der Pegel steigt in allen 3 Stellungen mit der Frequenz an!
Zusammen mit der Bassüberhöhung ist ein "Badewannen"-Frequenzgang zu erwarten:

  • Na ja, die Bassüberhöhung ist jedenfalls da! Die Wirkung des Bassreflex-Rohres (auf der Rückseite, ca. 15cm über dem Boden) ist sehr stark, da es quasi direkt in die Raumecke strahlt! Bei zugestopftem Rohr ist der Bereich von 70 bis 120 Hz immer noch sehr vorlaut (s.a. Nahfeldmessung)!
  • Danach ergibt sich eine breite Senke um 250 Hz, wo die Phasenlage zwischen Bassmitteltöner und Bässen offenbar zu einer teilweisen Auslöschung führt
  • Um 2 kHz herum addieren sich die Schallanteile von Bassmitteltöner und Hochtöner offenbar sehr effektiv, denn dort kommt es zu einer leichten Überhöhung
  • Am Hörplatz fällt der Schalldruck zu hohen Frequenz nur relativ gering ab, da der Hochtöner ja einen ansteigenden Frequenzgang hat
Aus Neugierde habe ich dann mal bei einer Box den Bassmitteltöner verpolt, um die Hypothese mit der Auslöschung bzw. Schalladdition zu überprüfen:


Leider sind die beiden Messungen nicht unmittelbar nacheinander und mit derselben Raumabsorption durchgeführt worden. Es zeigt sich jedoch ganz klar, dass es bei verpoltem Bassmitteltöner zu einer teilweisen Auslöschung mit dem Hochtöner kommt. Bei der Überlagerung mit den Bässen tut sich nicht viel, hier kommt es offenbar immer noch zu einer teilweisen Auslöschung!

Idealerweise sollte die Frequenzweiche so ausgelegt sein, dass sich bei einer Polung der Lautsprecher auf der Lautsprecherachse eine ausgeprägte Addition der Schalldruckanteile ergibt, während sich bei der anderen Polung dort ein breiter Einbruch einstellt. Dadurch wird gewährleistet, das außerhalb der Lautsprecherachse weniger Schalldruck erzeugt wird (da dort die Addition nicht so effektiv wie auf Achse ist)!

 


 

Untersuchung von einzelnen Reflexionen:

Beim Blick auf das vorletzte Bild fielen 2 Resonanzen bei 300 und 720 Hz auf. Hier lag die Vermutung nahe, dass es sich um energiereiche Reflexionen am Boden, Decke oder an der Seitenwand handeln könnte. Die Höhe des Bassmitteltöners beträgt etwa 110 cm über dem Boden (Abstand zur Decke ca. 140 cm), der Hörabstand ca. 206 cm (Ohrhöhe 100 cm) und der Abstand zur Wand ca. 60 cm. Daraus ergeben sich folgende Umwege und damit Überhöhungen bzw. Auslöschungen:

Fläche Umweg [m] Überhöhung Einbruch
Boden 0.88 +4.6 dB bei 387, 773, 1160 ... Hz -10.5 dB bei 193, 580, 966 ... Hz
Decke 1.50 +4.0 dB bei 227, 455, 682 ... Hz -7.5 dB bei 114, 341, 569, 796 ... Hz
Seite kurz 0.78 +4.7 dB bei 434, 869, 1303 ... Hz -11.2 dB bei 217, 652, 1086 ... Hz

Tja, so einfach scheint das nicht zu sein. Trotzdem habe ich mal ein paar Prinzipversuche gemacht. Ausgehende von der Situation ohne Eckabsorber wurde versucht, die energiereichen, direkten Reflexionen zu beeinflussen:

Hocker mit Eckabsorber zur Veränderung der Bodenreflexion:
  • Reduktion um 150, 450 und 750 Hz durch Hocker mit Eckabsorber
  • Erhöhung um 25 Hz und Reduktion um 50 Hz durch Öffnen der Zimmertür

     

Zusätzlicher Eckabsorber zur Veränderung der Deckenflexion:
  • Reduktion um 650/730 und 1800/2190 Hz durch Eckabsorber an der Decke
  • Erhöhung um 950 Hz durch Eckabsorber an der Decke
    Hinweis: Verfälschung durch "Träger" möglich

     

Zusätzliche Eckabsorber zur Veränderung der Seitenreflexion:
  • Starke Reduktion um 170/220 und 510/660 Hz durch Eckabsorber an der Seitenwand
  • Erhöhung um 350 Hz durch Eckabsorber an der Seitenwand

     

Entfall der Wandpanels seitlich und vorne:
  • Reduktion um 200, 600, 1000 und 2200 Hz durch seitliche Wandpanels
  • Leichter Effekt durch Wandpanel vorne zwischen 250 und 700 Hz

     

Die beobachteten Reduktionen und Einbrüche passen leider nicht mit der "einfachen" Theorie einen energiereichen Reflexion zusammen. Die berechneten Wegunterschiede müssten zu anderen Ergebnissen führen, wenn der Effekt aller anderen (Mehrfach-) Reflexionen vernachlässigt werden könnte.

 


 

Untersuchung der Gesamtwirkung:

 

  • Durch Entfernen der Absorberelemente wird der Schalldruckpegel am Hörplatz breitbandig um ca. 3 dB reduziert (trotz der relativ geringen Hörentfernung!)
  • Tieffrequent ist die Absorption an der Rückwand in den Problembereichen 52 und 105 Hz besonders effektiv!

Die DIY-Lösung an der Raumrückwand ist zwar wirksam, sieht aber nicht schön aus und ist auch gesundheitlich nur dann unbedenklich, wenn das Material komplett in Folie eingepackt wird und kein Material entweichen kann. Ästheten verwenden spezielle Eckabsorber, deren Wirksamkeit im Mittel- und Hochtonbereich konstruktiv reduziert wurde.

Es heißt zwar: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, aber in der Akustik gilt: Ein Geräusch sagt mehr als 1000 Kurven. Aus diesem Grunde wurden in mehreren Zuständen die Nachhallzeit des Raumes bestimmt. Zum einen wurde an 3 Stellen in die Hände geklatscht (links = linke Box, mitte = zwischen den Boxen, rechts = rechte Box) und das Geräusch an der Hörposition aufgenommen. Zum anderen wurde rosa Rauschen abgespielt (erst beide Boxen, dann nur links und nur rechts) und das Geräusch an der Hörposition aufgenommen. Aus diesem Signal wurde die Nachhallzeit ermittelt.

Zustand Aufnahme Verwendete Absorber
MaxAbs Klatschen
Rauschen
  1. sehr dicker, langfloriger Teppich (ca. 2 · 3 m) rund um Hörplatz
  2. je 2x Tieftonabsorber (TABS) aus Basotect (Höhe 120cm, dreieckige Grundfläche mit einer Kantenlänge von 40cm) vorne links und rechts
  3. 1x Mittelhochtonabsorber (MHABS) aus Basotect (50 · 100cm, 7 cm dick) mittig auf Vorderwand
  4. je 1x MHABS auf Seitenwand
  5. je 1x TABS hinten links und rechts unten
  6. gesamte Rückwand rund um Regal mit folienummantelten Mineralwolleplatten (15cm) mit Wandabstand 20cm
OhneWandpanels Klatschen
Rauschen
nur 1., 2., 5. und 6. (Messung RA009)
NurAbsHinten Klatschen
Rauschen
nur 1., 5. und 6. (Messung RA013)
MinAbs Klatschen
Rauschen
nur 1. (Messung RA010)

 

  • Ohne zusätzliche Absorber (Zustand MinAbs) hört man beim Rauschen sehr deutlich das lange Ausschwingen im Bassbereich. Die ausgeprägte "Halligkeit" im mittleren und hohen Frequenzbereich fällt beim Händeklatschen besonders deutlich auf.
  • Bei maximaler Absorption (Zustand MaxAbs) hört sich sowohl das Rauschen als auch das Händeklatschen deutlich trockener an. Mit Musik vermisst man allerdings die "gewohnte" Räumlichkeit, der Raum klingt "tot".
  • Die Wandpaneele (eines an der Stirnwand und je 2 an den Seitenwänden) haben eher einen geringen Einfluß.
  • Bereits die vollflächige Absorption an der Raumrückwand verbessert das Ausschwingen im Bassbereich deutlich.
Zum Abschluss noch ein paar Auswertungen der Aufnahmen mit dem Programm WaveT60, welches Abonnenten des ONLINE-Magazins zugesendet bekommen. Das Programm erwartet eine WAV-Datei mit beliebig vielen "leisen" und "lauten" Passagen und einer Abtastfrequenz von 22050 oder 44100 Hz und 16-bit-Auflösung. Die "lauten" Passagen werden automatisch erkannt und als "Anregung" interpretiert (z.B. in die Hände klatschen oder Wiedergabe von z.B. rosa Rauschen, wobei letzteres für bessere Ergebnisse im unteren Frequenzbereich empfohlen wird). Am Ende des jeweiligen "lauten" Abschnitts wird das Ausklingen ausgewertet. Dazu wird eine 1/3-Oktav-Analyse von verschiedenen überlappenden Zeitabschnitten (6, 12, 24, 48, 96 und 192 ms) durchgeführt und das Ausklingen durch eine Ausgleichsgerade angenähert. Jeder einzelne ermittelte Wert wird graphisch angezeigt. Außerdem kann das Gesamtergebnis auch als Text in die Zwischenablage kopiert werden (z.B. zum Vergleich mehrerer Zustände in EXCEL).

Ein Vergleich der Nachhallzeiten bestätigt die oben gefundenen Ergebnisse:

  • Der Zustand MaxAbs entspricht der minimal empfohlenen Nachhallzeit von CARA
  • Der Zustand AbsRearOnly entspricht der maximal empfohlenen Nachhallzeit von CARA
  • Im Zustand MinAbs ist die Nachhallzeit im gesamten Frequenzbereich deutlich zu lang

Kommentare

Becker, Hans-Peter
11 jahre vor
Guten Tag,
wir sind ein Gartenverein in Dortmund und haben durch die Bauart unseres Vereinshauses ein riesiges Problem:
Bei Vereinsfeiern ist eine normale Unterhaltung schon kaum möglich, wenn Musik noch dazu kommt schon fast unerträglich. Dies führt regelmäßig dazu, das sich die Gäste über die enorme Lautstärke der Musik beschweren, wo wir der Meinung sind, das allein die Akustik in den Räumlichkeiten den Großteil des Unmutes auslöst. Ich sende Ihnen einmal ein paar Bilder mit, die Ihnen einen ersten Eindruck vermitteln sollen.
Hier ein paar Daten zu den Räumlichkeiten:

Das Vereinsheim hat eine nutzbare Gesamtfläche von ca. 130 m² ohne Küche, Toiletten und Abstellraum.
Der Gastraum hat eine cirka Fläche von 7 m x 8 m und einer Höhe von 4 m. Der Saal hat eine Grundfläche von ca. 9 m x 8 m und einer gebogenen ansteigenden Höhe von ca. 7 m bis 3,50 m. Die Decke des Saales ist durch 3 Leimholzbinder unterbrochen zwischen denen sich Profilholzbretter befinden. Der Gastraum hat eine abgehangene Decke mit Panelen. Im Saal befinden sich zwei quadratische Fenster mit Tischen und Bestuhlung für ca. 60 Personen und im Gastraum ein Doppelflügiges Fenster, ein Tresen mit Überbau und 4 Kneipentische incl. Bestuhlung. Sämtliche Wände sind mit Gipskartonplatten auf Holzlattung ohne Dämmung ausgekleidet.

Können Sie uns Vorschläge unterbreiten, wie die Akustik entscheidend verbessert werden kann und uns eventuell eine preisgünstige Lösung unterbreiten? Vielleicht kennen Sie auch die entsprechenden Kosten.
Kann man Akustikplatten auch selber herstellen und welche Materialien nutzt man dazu? z.B. Akustikplatten zum abhängen von der Decke und bringt die etwas?

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Becker (Vorsitzender)

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