Premium Home Theater - Design & Construction von Earl Geddes

Normalerweise gibt es ja bei uns keine Buchbesprechungen. Zum einen komme ich nur im Urlaub dazu ein Buch in relativ kurzer Zeit komplett durchzulesen (was für eine Buchbesprechung immer sehr nützlich ist). Zum anderen macht das auch viel Arbeit.
Aber dieses Buch wurde mir von einem Abonnenten als Urlaubslektüre geliehen - mit der unterschwelligen Anmerkung, dass ein Kommentar erwünscht wäre.
Und hier ist er nun, der Kommentar, in Form einer Buchbesprechung.

 

Interessant ist auch der Aufbau des Buches: es gibt eine kurze Einführung, 12 Kapitel und 4 Anhänge (Table of contents):Das wichtigste an diesem Buch: es ist auf Englisch! Da ich in einem amerikanischen Unternehmen arbeite habe ich in aller Regel nur wenige Probleme englische Texte zu lesen. Hier habe ich aber doch an der ein oder anderen Stelle ein Wörterbuch vermisst (im Urlaub hatte ich keines dabei). Wer also normalerweise Probleme mit englischen Texten sollte sich auf ein hartes Stück Arbeit einstellen.
Das zweitwichtigste: es ist recht technisch orientiert geschrieben. Earl Geddes ist ein Mann der Fakten (was ihn mir auf Anhieb sympathisch machte), in der Werbe-Abteilung einer High-End-Firma wäre er eine absolute Fehlbesetzung!
Das vielleicht drittwichtigste: das Buch ist von 2002! Die ein oder andere technische Entwicklung wurde zwar schon "vorhergesehen" (z.B. HDTV, HDMI), aber Blue-Rays zeichneten sich zu dem Zeitpunkt noch nicht ab (das Buch orientiert sich am damaligen DVD-Standard). Da aber die grundlegenden technischen Prinzipien gleicht geblieben sind ist dies zu verschmerzen.

  1. Signals and Systems
  2. Hearing and Psychoacoustics
  3. Audio Media
  4. Acoustics and Sound Reproduction
  5. Room Acoustics
  6. Noise Control
  7. Images, Color and Vision
  8. Video Distribution Systems
  9. Video Displays
  10. Home Theater Design Principles
  11. Construction
  12. Installing the Equipment

Anhänge:

  1. Subjectivism
  2. Logarithms
  3. Complex numbers
  4. Acoustic Measurements

 

Hinweis: die Einleitung und die ersten 4 Kapitel kann man als PDF downloaden

Nach einer 4-seitigen Einleitung zum "Aufwärmen" geht es gleich mit dem 1. Kapitel "Signale und Systeme" los - der Mann hält sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf. Earl Geddes behandelt Audio- und Video-Signale in einem Abwasch, also ohne Bezug zum speziellen Einsatz - das macht die Sache nicht gerade leichter. Andererseits muss man dann dasselbe bei Video-Signalen dann nicht wiederholen.

Schon auf Seite 10 (also der 6. Seite dieses Kapitels) wird uns Herr Fourier vorgestellt - zunächst beim "Zusammenbau" von komplexen Signalen (z.B. Rechtecksignal) aus einzelnen Frequenzen, der sogenannten Fourier-Synthese. Die Fourier-Analyse kommt dann auf Seite 14.
Sehr angenehm ist, dass die Stichwörter im Text dick gedruckt sind, außerdem gibt es im Randbereich Anmerkungen zu den Stichwörtern wie z.B.

Spectrum - the continous frequency representation of a signal

So kann man einzelne Begriff schnell wiederfinden. Das 1. Kapitel endet mit Seite 25, kurz vorher wird noch die

Spatial frequency - a 2D concept where the light variations in space are analyzed as a frequency distribution

vorgestellt. Und, alles klar soweit?

Im 2. Kapitel geht es dann um "Hearing and Psychoacoustics". Dieses Kapitel steuert seine Frau Lidia Lee bei. Dass dieser Punkt so weit vorne kommt zeigt, welche Bedeutung er ihm zumisst. Im Laufe des Buches blickt immer wieder der ingenieursmäßige Ansatz durch: mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel erreichen. Daher analysiert er ganz zu Anfang was unser Ohr überhaupt wahrnehmen kann bevor er eine Lösung andenkt, die viel zu viel kann (und dementsprechend viel zu teuer wäre).
Im 2. Kapitel werden all die "üblichen" Dinge wie Kurven gleicher Lautstärke, Maskierung im Zeit- und Frequenzbereich, Frequenzbänder etc. angesprochen. Er spricht auch an, dass die Maskierung im Frequenzbereich einen Einfluss darauf hat, wie wir Verzerrungen wahrnehmen. Genau so sind wir ja auch an die Hörbarkeit von Verzerrungen herangegangen (s. Klirrfaktor - wie viel ist zu viel?).

Im 3. Kapitel geht es dann um "Audio Media". Mit den Erkenntnissen aus Kapitel 2 wird erklärt, wie die Datenreduktion z.B. bei MP3 funktioniert. Earl Geddes sagt, dass verlustbehaftet komprimierte und unkomprimierte Signale bei geeigneter Wahl der Anregung und unter günstigen Bedingungen zwar unterschieden werden können, für ihn überwiegen aber die Vorteile der Komprimierung, da sie zur effektiven Datenspeicherung bzw. Übertragung per Internet einfach unverzichtbar sind (das gilt in noch höherem Maße für die Video-Komprimierung).

Im 4. Kapitel "Acoustics and Sound Reproduction" geht es um Freifeld, Diffusfeld, Energiefrequenzgang und Frequenzgang auf Achse, Verzerrungen etc. Er ist ein Fan von gerichteter Abstrahlung und empfiehlt entweder professionelle Lautsprecher für Heimkino oder die doppelte bzw. 4-fache Verwendung von handelsüblichen Lautsprechern um die erforderlichen Schalldruckpegel verzerrungsarm zu erzeugen UND gleichzeitig eine Richtcharakteristik zu erzwingen.

In Kapitel 5 geht es dann um "Room Acoustics". Hier zeigt er, dass "kleine" Räume (das sind für ihn normale Wohnräume im Gegensatz zu "großen" Räumen wie Konzertsäle) im unteren Bereich modales Verhalten zeigen und erst oberhalb der Schröder-Frequenz (hier gibt er leider keine Formel an) mit Mitteln der geometrischen Akustik beschrieben werden können (erst in diesem Frequenzbereich macht auch so etwas wie Nachhallzeit Sinn). Earl Geddes spricht der Nachhallzeit aber in kleinen Räumen generell ihre Bedeutung ab - da die Nachhallzeit einfach viel zu kurz ist.
Im Laufe des Kapitels outet sich Earl Geddes als Fan von räumlicher Mittelung, da nur so das "Modal Chaos" gelindert werden kann. Dasselbe tun wir mit ja unserer Wedel-Methode. Er ist auch ein Fan von Terzdarstellungen, da diese Darstellung der Lautheits-Wahrnehmung in Frequenzbändern am nächsten kommt.
Er ist KEIN Fan von zu stark bedämpften Räumen, auch im Heimkinobereich. Ansonsten würde es nicht räumlich genug klingen. Nur im Bassbereich wird eine hohe Absorption benötigt um die Raummoden zu reduzieren. Daher wird Absorptionsmaterialbenötigt, dass eine hohe Absorption bei tiefen Frequenzen hat aber nur wenig bei hohen Frequenzen.

Im folgenden Kapitel geht es um "Noise Control": ein Heimkino kann man nur dann sorglos nutzen, wenn man andere im Haus dadurch nicht stört (z.B. schlafende Kinder). Besonders kritisch ist dies auch bei der Klimaanlage. Hier werden typische Gegenmaßnahmen (akustisch optimierte Kanäle, Schalldämpfer etc.) und ihre Dimensionierung vorgestellt.

Die 3 folgenden Kapitel beschäftigen sich mit Videosignalen. Sein Credo ist: eine hohe Pixelanzahl ist nicht immer optimal, denn das kostet viel Geld und die Auflösung des Auges ist ggf. zu gering um das wahrzunehmen -> das Geld lieber in einen lichtstarken Projektor mit "angemessenerer" Auflösung investieren. Ein Heimkino im Wohnzimmer ist für Herrn Geddes eine viel zu stark kompromissbehaftete Lösung - das Tageslicht lässt keinen sinnvollen Lichtkontrast zu! Und wer will schon immer warten bis es draußen dunkel ist (was im Sommer erst nach 22 Uhr der Fall wäre)?

Erst im 10. und 11. Kapitel geht es um die praktische Realisierung eines Heimkinos - basierend auf den zuvor erklärten Grundprinzipien. In Kapitel 10 geht es um Design Prinzipien (vor allem die richtige Auswahl des Standorts für eine effektive Lösung) und in Kapitel 11 dann um die praktische Konstruktion. Hier outet sich Herr Geddes als Fan von Sandwich-Wänden (was wir gut nachvollziehen können), außerdem hat er eine ausgesprochene Vorliebe für Bauschaum!

Im 12. Kapitel geht es dann erst um das Equipment (er ist Fan von HTPCs) und die Aufstellung der Lautsprecher. Er bevorzugt dabei:

  • identische Lautsprecher für Links, Rechts und Center mit großen Basslautsprechern und Hochtonhörnern (für die erwünschte Richtwirkung)
  • Dipole als Rear-Lautsprecher (wofür er einfach 2 handelsübliche 2-Wege-Lautsprecher Rücken an Rücken verklebt und verpolt anschließt)
  • 3 Subwoofer (1x in Ecke, 1x in der Nähe der gegenüber liegenden Ecke, 1x in der Mitte einer langen Wand)

Lautsprecherkabel sind für ihn übrigens unkritisch - im Gegensatz zu Videokabeln, die bei großen Kabellängen böse Probleme machen können. Auch hier wieder der ingenieursmäßige Ansatz: wo investiere ich mein Geld am EFFEKTIVSTEN?

Bei den Anhängen hatte ich mir vom Anhang IV "Acoustic Measurements" noch etwas versprochen, aber auf den mickrigen 4 Seiten geht es mehr darum wie man Direkt- und Diffusschall trennt und welche Möglichkeiten es dafür gibt. Herr Geddes ist auch da realistisch und empfiehlt - wie wir - im Bassbereich Nahfeldmessungen; darüber kann man optional die Raumeinflüsse in der Impulsantwort ausblenden ohne unter zu geringer Frequenzauflösung zu leiden.

Fazit:

Wer ein hochwertiges Heimkinosystem aufbauen will sollte wissen, was alles zu beachten ist - denn gemachte Fehler lassen sich meistens nicht mehr korrigieren (oder wenn dann kostet das sehr viel Geld). Die 39.95 $ + 14.95 $ Versand für dieses Buch (welches man offenbar nur direkt von GedLee LLC aus den USA beziehen kann) sind dementsprechend gut angelegt und amortisieren sich im Laufe eines zu realisierenden Heimkino-Projekts mit Sicherheit.

P.S.: Herr Geddes hat auch ein Buch zum Thema Audio Transducers geschrieben, in dem es mehr um den Aufbau von Lautsprechern geht - der nächste Urlaub kommt bestimmt . . .