Haben Sie auch so eine "schicke" Minianlage aus dem Blödmarkt oder vom freundlichen Kaffeeröster nebenan für ganz billig "geschossen"? So was Kleines für nebenbei in der Küche, für den Schreibtisch oder das Schlafzimmer? Und waren vom Sound - na ja, nicht gerade begeistert? Willkommen im Club!

Wenn Sie unsere Seiten sorgfältig studiert haben (z.B. Weichentuning der ELTAX 400) könnte in Ihnen der Wunsch reifen: "das muss man doch verbessern können . . . ". Leider bewegt man sich bei diesen Teilen aber oft in einer Preisregion, wo es nicht mal mehr für eine abnehmbare Frontbespannung gereicht hat oder wo man aus anderen Gründen nicht an die Chassis herankommt. Puuh, noch einmal davon gekommen . . .

Denkste!?! Wir haben die Lösung für das Problem! Als notorische Sparfüchse können wir uns mitunter nicht dem Charme der unglaublich preiswerten Angebote des Elektronik-Discounters POLLIN entziehen. Diesmal waren es ein paar Kleinboxen DYNAVOX TG1000B für 19.95 € (das Paar!), denen wir nicht widerstehen konnten. Sie hören auf die Bestellnummer 640593 und sehen einfach zu gut aus um wahr zu sein (wahlweise in Buche, schwarz oder silber):


Sieht doch ganz normal aus........im direkten Vergleich zu unserer Take:7 sieht man jedoch wie winzig die Dyavox ist.

Wir haben uns für die silberne Variante entschieden. Das Auspacken war wie Weihnachten: wie sehen sie aus, wie fühlen sie sich an? Also die 1. Runde geht ganz klar an die DYNAVOX TG1000B. Nach Abnehmen des mit "Nüppies" befestigten Bespannrahmens lacht uns eine blitzsaubere Frontplatte an:


Für den Preis von 19,95 Euro für ein Paar Lautsprecher ist die Dynavox sehr aufwendig verarbeitet, man mag es fast nicht glauben

An einzelnen Stellen hat sich die Folie leider etwas verworfen und schlägt kleine "Wellen", aber ansonsten ist die gesamte Verarbeitung tadellos.


Analyse der Ist-Situation:

Na, dann mal gleich in unseren reflexionsarmen Raum (RAR) damit:

So sieht der Schalldruckpegel in 50 cm Abstand aus (Mittig zwischen "Bässchen" und Hochtöner):


-> ohne Frontbespannung ist der Verlauf im mittleren Frequenzbereich gleichmäßiger

Na ja, die Bassüberhöhung soll wohl Bass vortäuschen, aber was macht da den Monsterpeak bei 8 kHz? Ein Klebestreifen über dem Hochtöner gibt die Antwort:


-> das "Bässchen" macht den Peak bei 8 kHz, der Hochtöner zwitschert oberhalb von 10 kHz
-> zwischen 2 bis 7 kHz löschen sich das "Bässchen" und der Hochtöner teilweise aus

Das stellt sich doch gleich die nächste Frage: wie sieht diese Auslöschung aus, wenn man "zu hoch" oder "zu tief" sitzt?


-> auf Höhe des "Bäßchens" (blau) gibt es keine Auslöschung; diese nimmt nach oben hin zu (rot)

Und was passiert eigentlich seitlich?


-> auch unter 30° ragt der Peak bei 8 kHz noch um 10 dB hervor

Was kann man denn bei der Bassüberhöhung noch retten? Wie wäre es, wenn man das Bassreflex-"Röhrchen" einfach mit Polyestervlies zustopft und aus der Bassreflexbox eine kontrollierte Undichtigkeit (KU) macht?


-> na ja, die Tendenz ist richtig, aber die Überhöhung ist immer noch recht saftig

Eine Messung der Gesamtimpedanz zeigt ebenfalls den Effekt des Bassreflex-Röhrchens:

Eine Kurvenanpassung ergibt für die KU (rot) bzw. das geschlossene Gehäuse eine Resonanzfrequenz von 139.3 bzw. 139.2 Hz und eine Gesamtgüte von 2.17 bzw. 2.38.

Nach einigen kurzen Messungen steht OHNE ÖFFNUNG des Gehäuses nach knapp 1 Stunde fest:

  • die Frontbespannung sollte abgenommen werden
  • das Bassreflexrohr sollte ganz (CB) oder teilweise (KU) zugestopft werden
  • das "Bässchen" hat eine starke Membranresonanz bei 8 kHz
  • das "Bässchen" läuft bis 5 kHz recht linear
  • das "Bässchen" hat höchstwahrscheinlich keine Frequenzweiche (kein Impedanzanstieg im mittleren Frequenzbereich)
  • der Hochtöner trägt noch bis 2.3 kHz zum Gesamtpegel bei (Überlagerung beider Chassis ist abhängig von Messhöhe)
  • der Hochtöner hat höchstwahrscheinlich nur einen Kondensator als Frequenzweiche

Damit ist sehr wahrscheinlich, dass man die Wiedergabe durch eine aufwändigere Weiche deutlich verbessern kann. Dazu muss die Membranresonanz des "Bässchens" auf jeden Fall mit einem Sperrkreis gezähmt werden. Die Trennfrequenz wird voraussichtlich bei 6 kHz liegen.

Bevor man sich die Arbeit macht sollte man aber erst einmal checken, ob beide Boxen überhaupt einigermaßen gleich sind und sich der Aufwand überhaupt lohnt:


-> die "Bässchen" scheinen sehr ähnlich zu sein, lediglich die Überlagerung mit dem Hochtöner fällt anders aus
-> bei einer höheren Trennung sollte das weniger kritisch sein!
-> grünes Licht!


Einzelmessungen:

Ein Blick "hinter die Kulissen" bestätigt die obigen Annahmen und zeigt noch eine weitere Sparmaßnahme: auch auf Absorptionsmaterial wurde komplett verzichtet!


Unser Kondensator für die Modifikation lenkt hier von der Originalweiche die eigentlich keine ist stark ab


Hier der Größenvergleich Original gegen Modifikation

Die "übersichtliche" Weiche erleichtert die Messung der Einzelchassis aber ungemein:


-> die Hochtöner fallen recht unterschiedlich aus
-> bei einem 12 dB/Oktave Hochpass bei 6 kHz dürften die Unterschiede aber gering sein


-> beide Chassis sind recht hochohmig
-> das "Bässchen" hat ein Fs von 119.5 Hz und ein Qts von 2.084, sollte also tunlichst NICHT auch noch in eine Bassreflexbox eingebaut werden!!

Der Schalldruck wurde mit ARTA gemessen um für das Boxsim-Modell auch die akustische Phase korrekt zu erfassen. Die Impedanzmessungen wurden mit JustOct gemessen und mit JustDisp wurden die TSPs bestimmt. Beide Programme stehen Abonnenten des ONLINE-Magazins übrigens kostenlos zur Verfügung. Alle anderen obigen Messungen und Grafiken wurden übrigens ebenfalls mit dem "Gespann" JustOct/JustDisp gemacht.

Die Sprungantwort und Zerfallspektren (gemessen mit ARTA) der beiden Chassis sehen wie folgt aus (Messabstand 50 cm):

  • Die kaum bedämpfte Membranresonanz verzappelt die Sprungantwort und ist auch im Zerfallspektrum gut zu erkennen. Ansonsten ist das Ausschwingen aber recht gut (unterhalb vom 500 Hz zeigen sich durch den hohem Messabstand und die Messung auf dem Ständer Raumrückwirkungen)

  • Die kaum bedämpfte mechanische Resonanz verzappelt die Sprungantwort und ist auch im Zerfallspektrum gut zu erkennen. Auch sonst ist das Ausschwingen etwas verzögert - der Hochtöner ist definitiv NICHT das Highlight dieser Kombination

 

Stunde der Simulanten:

Sobald die Messungen als ASCII-Datei vorliegen kann man ein Boxsim-Modell erstellen. Nach ein paar Iterationen und Feintuning im Hörraum sieht das "virtuelle" Ergebnis dann so aus:

Den Schalldruckabfall unterhalb von 1 kHz haben wir nicht kompensiert, da das "Böxchen" ja normalerweise NICHT frei auf einem Ständer stehend sondern im Regal oder auf einem Tisch/Sideboard betrieben wird. Dadurch wird der Grundtonbereich um 6 dB angehoben und passt dann wieder mit dem Rest zusammen.

Das zugehörige Weichenlayout ist auf den ersten Blick sehr aufwändig (immerhin 5 Bauteile), aber mit weniger Bauteilen ließ sich das Ergebnis ("Absaugung" der Resonanz bei 8 kHz) nicht erzielen:


Die Bauteileliste senden wir jedem auf Anfrage nach ausfüllen einer Umfrage zu.


Boxsim-Modell der TG1000B (nur für Abonnenten)

Andererseits sind die einzelnen Teile aber recht preiswert und kosten pro Box knapp 8 €:

Bauteil Bestell-Nr. IT Preis
Spule 0.47 mH / 0.71 mm Draht / 0.57 Ohm 1340245 2.50 €
Spule 0.10 mH / 0.60 mm Draht / 0.29 Ohm 1500054 1.70 €
Spule 0.18 mH / 0.50 mm Draht / 0.55 Ohm 1500057 1.70 €
Tonfrequenzelko 3.3 uF/50 V, glatt 1341038 1.00 €
Tonfrequenzelko 2.2 uF/50 V, glatt 1341036 0.67 €
Summe   7.57 €
Weichentuning:
Bei der 0.47 mH-Spule kann man gerne auch eine mit 1 mm Draht nehmen (0.36 Ohm, 4.70 €), ansonsten macht eine "High-End"-Weiche wenig Sinn. Insbesondere die 0.1 mH-Spule sollte keinen niedrigeren Innenwiderstand haben und der 3.3 uF-Kondesator sollte unbedingt ein glatter Tonfrequenzelko und kein "besserer" MKT- oder MKP-Kondesnator sein. Beim 2.2 uF-Kondensator darf man sich dann ggf. noch einen MKP-Kondensator "gönnen" ein glatter Tonfrequenzelko tut es bei der mäßigen Qualität des Hochtöners aber auch.


Die benötigten Teile sind nicht teuer, High-End Bauteile sind absolut überflüssig


Hier die kompletten Teile für den Umbau

Bei der Polarität des Hochtöners muss man übrigens aufpassen: der Anschluss, an den der Kondensator angelötet ist, ist Plus -> UNBEDINGT merken, bevor man die "Weiche demontiert".

Das folgende Schema zeigt einen Aufbauvorschlag auf einem 9 x 6.5 cm großen Sperrholzbrettchen:

Und hier die fertig aufgebaute Weiche:


Noch mal im Vergleich, vorne der original Hochtonkondensator


Mit Heißkleber einfach auf den Boxenboden geklebt, die fertige Weiche


-> eine Verpolung des Hochtöners führt zu einer Auslöschung im Bereich der Trennfrequenz


Stunde der Wahrheit:

Simulation ist ja schön und gut, aber kommt das auch wirklich hin? Und wie klingt es nachher? Für das erstere haben wir das Messprogramm mit der obigen Weichenschaltung im RAR wiederholt:


-> die Übereinstimmung mit der Simulation ist beängstigend gut!
-> bei 2 kHz meldet sich der Hochtöner noch einmal kurz zu Wort . . .


-> ohne "Saugkreis" ist die Überhöhung des "Bässchens" nicht in den Griff zu bekommen


-> bei "falscher" Ohrhöhe ist nur ein kleiner Frequenzbereich betroffen, und das auch erst ab > 5°

Und damit man einen Eindruck vom klanglichen Unterschied der Modifikation bekommt haben wir unsere Testgeräusch in beiden Fällen aufgenommen (Abstand 50cm, auf Ständer im RAR). Zunächst kommen 4 Wiederholungen des Originalzustandes, dann 4 Wiederholungen der modifizierten Weiche :

Vergleich vorher / nachher (MP3, 36 kB)

-> zu Anfang hört man die "röhrende" Bassreflexöffnung und den "zischigen" Peak des "Bässchens"
-> bei der modifizierten Variante (2. Teil) klingt es wesentlich ausgewogener ohne hörbare "Töne" -> so sollte es sein!

Und hier das Ganze als spektrale Analyse mit WaveAnalyzer (links vorher, rechts nachher):

 

Im Hörraum verhält sich die DynaVox TG1000B eher unauffällig. Natürlich ist die DynaVox TG1000B keine Box mit der man Bäume ausreißen kann oder die einem bei highendigen Aufnahmen eine Gänsehaut beschert. Ihr größtes Plus ist sicherlich, dass sie oberhalb von 200 Hz recht dynamisch aufspielt und zu keinem Zeitpunkt nervt. In Anbetracht der Kosten ist das Ergebnis jedenfalls "unglaublich" gut.


Fazit:

Die Frequenzweiche spricht ein großes Wörtchen mit bei der Gesamtqualität einer Box. Bei preiswerten Boxen ist die Qualität der Chassis meist wesentlich besser als die Qualität der Weiche. Das hatten wir auch schon bei der Weichenmodifikation der ELTAX 400 gesehen. Eine aufwändige Weiche ist:

  • teurer (Material)
  • benötigt eine Platine -> Kosten
  • muss verlötet werden -> Arbeitsaufwand -> Kosten

Und genau deswegen besteht die Weiche oftmals nur aus einem Kondensator der mehr den Hochtöner vor dem (Hitze-)Tod schützen als für einen guten Klang sorgen soll. Hier kann man oft mit wenig Aufwand viel erreichen (siehe oben).

Wer im Bassbereich mehr will kann die DYNAVOX TG1000B natürlich auch als Mittel-/Hochtoneinheit einer 3-Wege-Kombination oder als Satellit zusammen mit einem Subwoofer einsetzen.