Wer in den 80er oder 90er mal ein Paar Stereo-Lautsprecher selber gebaut hat steht heute oft vor der Entscheidung:
- wie finde ich dazu passende Surround-Lautsprecher?
- lohnt sich das überhaupt noch? Oder sollte man den Sperrmüll rufen und was Neues kaufen?
Wenn die Kisten noch aus Spanplatte roh sind und preiswerte Lautsprecher verbaut waren fällt der Abschied oft leicht. Wenn man aber ein schönes Lautsprechergehäuse gebastelt hat, das auch noch genau zur restlichen Einrichtung passt, und "gute" Lautsprecherchassis verwendet hat tut man sich oft schwer.
So ging es Dirk W. Er hatte sich vor vielen Jahren die PEERLESS NoDis gebaut (aus dem ELRAD Sonderheft Extra 6), weil er von den Cabasse Clipper eines Verwandten so begeistert war. Mittlerweile waren die Schaumstoff-Sicken der PEERLESS-Tieftöner von der UV-Strahlung zerfressen und schon vor einigen Jahren durch ähnliche Chassis ersetzt worden. Und wenn man schon mal dabei ist macht man das Gehäuse auch noch schön. Somit steckten gleich fast 2 Portionen Herzblut in diesen Lautsprechern.
Und jetzt sollte daraus ein Surround-System gebastelt werden. Mittel- und Hochtonchassis hatte Dirk W. schon in der Bucht geschossen, daraus könnte man entweder einen Center basteln oder die Rears, nur: so groß wie die Frontboxen durften sie nicht werden. Da er 1x pro Woche dienstlich quasi bei uns vorbeifährt kam er kurzerhand mal mit dem ganzen Zeug vorbei und trug sein Anliegen vor.
Quick-Check
Mit dem Klang seiner Lautsprecher war Dirk W. nach wie vor sehr zufrieden: schön warm und nicht nervig - das war ihm wichtig. Da das mit Klangbeschreibungen immer so eine Sache ist haben wir die Boxen kurzerhand aufgebaut, ein paar Musikstücke gehört und abschließend mal kurz gemessen. Beim Hören viel uns ein voller Grundtonbereich und ein sehr zurückhaltender Mitteltonbereich auf, außerdem war die räumliche Abbildung anders als gewohnt und "driftete" immer wieder nach rechts. Eine kurze Messung am Hörplatz ergab folgenden Frequenzgang:
-> oberhalb von 800 Hz sind beide Lautsprecher SEHR unterschiedlich
-> insbesondere der Mitteltonbereich ist deutlich zu leise
Hinweis: die Unterschiede im Bassbereich ergeben sich durch die unterschiedliche Aufstellung im Raum
Und im Nahfeld sah es bei der linken (oben) bzw. rechten (unten) Box so aus:
- der Mitteltöner ist bei beiden Boxen viel zu leise (ca. 5 dB)
- der Mitteltöner der linken Box gibt fast nur 3 kHz wieder - da ist was nicht in Ordnung!
- der Tieftöner spielt bei beiden Boxen bis etwa 800 Hz
- die beiden Hochtöner verhalten sich recht unterschiedlich
Eine kurze Impedanzmessung der kompletten Box ergab nur > 7 kHz einen Hinweis auf unterschiedliches elektrisches Verhalten:
Da die Boxen ausgesprochen schön gemacht sind schlugen wir vor die eingebauten Chassis einzeln zu testen und auch die "Ersatzchassis" mitzumessen in der Hoffnung ein funktionierendes und weitgehend gleiches Paar zu finden damit die Lautsprecher wieder ordentlich klingen. Das kostet zwar ein paar Euro - aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Messung der Chassis im Podest
2 Wochen später hatten wir Zeit gefunden die Messungen zu machen. Die original eingebauten Chassis bekamen die Bezeichnung L bzw. R, die Ersatzchassis heißen 3 bzw. 4. Zunächst haben wir uns den Hochtöner vorgenommen. Es handelt sich um den "legendären" PEERLESS KO10DT (s. Datenblatt), der in zahllosen Lautsprechern der 80er und 90er Jahre verbaut wurde:
-> das sieht für so alte Hochtöner gut aus
-> das sieht für einen so alten Hochtöner gut aus; zwischen 2.5 und 8 kHz "zappelt" es auf Achse etwas wegen der sehr frei stehenden Kalotte
-> die Streuung der 4 Chassis geht in Ordnung; der rechte Hochtöner ist um 10 kHz etwas vorlaut; zwischen 2.5 und 8 kHz "zappelt" es auf Achse etwas wegen der sehr frei stehenden Kalotte
-> die Streuung der 4 Chassis geht in Ordnung; der rechte Hochtöner ist um 10 kHz etwas vorlaut; unter 30° "zappelt" es kaum noch
Bis auf den rechten Hochtöner sind die anderen 3 schön identisch - durch Paarabgleich kann das Thema Hochtonchassis abgehakt werden.
Bleibt noch das Thema Mitteltöner. Bei der NoDis wurde der PEERLESS PM120 verbaut (s. Datenblatt), ein sehr aufwändig gemachter Membranmitteltöner. Es gab keinen Korb im herkömmlichen Sinne sondern das Druckgußgehäuse verband Membran und Magneten. Die Membran war aus Polypropylen und im Luftspalt befand sich Ferrofluid zur Kühlung und Bedämpfung. Und so sahen die Messungen aus:
-> an dieser Stelle habe ich 3x mein Messsystem geprüft, aber die Daten stimmen:
-> offenbar hat sich das Ferrofluid verhärtet und ist nun so zähflüssig, dass die Resonanzfrequenz nach oben rutscht und sehr stark bedämpft wird
-> der Mitteltöner der rechten Box verhält sich noch am besten, fällt aber auch schon unterhalb von 1 kHz ab
-> alle 4 Chassis treuen sehr stark und weichen sehr stark vom Herstellerfrequenzgang ab -> die sind hin!
-> so hat sich der PM120 wohl mal verhalten als er neu war
Durch das High-Tech-Design kann man das Chassis auch nicht ohne Weiteres öffnen und das Ferrofluid entfernen -> die Mitteltöner sind also alle unbrauchbar!
Durch die "komische" Membranform ist es auch nicht so einfach ein Ersatzchassis zu finden das zumindest mal mechanisch reinpasst. Bei einem runden Korb hätte der Außendurchmesser mindestens 148 mm sein müssen - das wäre rundrum 13 mm mehr als jetzt und hätte nicht mehr auf die Schallwand gepasst. Und dann müsste das Ersatzchassis ja auch noch einen ähnlichen Frequenzgang haben. Nach einigem Suchen schlugen wir vor den VISATON SC13 einzusetzen:
- der hat den richtigen Wirkungsgrad und im Mitteltonbereich von 800 bis 5000 Hz einen ähnlichen Frequenzgang (s.u.)
- der hat eine ähnliche Form und sieht ähnlich aus (= das Auge hört ja mit)
- der muss nicht eingefräst werden (was bei einem vorhandene Loch und der gestuften Schallwand sonst nicht so einfach wäre
- der ist mit einem UVP von 29.77 € auch noch recht preiswert
Die Hoffnung war also, dass man nur ein kleines Gehäuse nachrüstet, das Chassis austauscht und die Box spielt wieder wie neu (zumindest deutlich besser als jetzt).
Hier mal der Frequenzgang des VISATON SC13 auf DIN-Schallwand:
-> unten rum wird das durch das kompakte Gehäuse noch ganz anders (s.u.)
-> oberhalb von 4 kHz ist das Chassis auf Achse lauter
In einem 2.9 l großen Gehäuse (12 x 12 x 20 cm) geht der VISATON SC13 bis 140 Hz runter (Qtc = 1.3). Da aber ohnehin bei 800 Hz getrennt wird macht das nichts.
Den Umbau hat Dirk W. gut dokumentiert. Zunächst wurde ein Sperrholzbrett mit den Frontmaßen des PM120 ausgesägt
und dann eingepasst
dann wurde mit der Stichsäge das Einbauloch von 100mm Durchmesser auf 113 mm Durchmesser erweitert und das rückwärtige Gehäuse durch die Öffnung des Basslautsprechers angebracht
und schließlich mit Absorptionsmaterial gefüllt und verkabelt.
Und so sah dann der Frequenzgang am Hörplatz aus:
-> man muss auch mal etwas Glück haben . . .
OK, das war nicht NUR Glück sondern auch eine sorgfältige Auswahl des Ersatzchassis basierend auf den jeweils verfügbaren verlässlichen Herstellerdaten - UND etwas Glück ;-)
Die Spitzen bei 5.5 und 7.5 kHz kommen übrigens vom SC13, der dem Hochtöner noch etwas zu viel unter die Arme greifen will. Aber ansonsten ist der Verlauf wunderbar gleichmäßig und es klingt auch deutlich ausgewogener als zuvor und auch die räumliche Abbildung ist viel stabiler, da beide Lautsprecher jetzt einen fast identischen Frequenzgang haben. Und was sagt der stolze Besitzer dazu?
Kommentar von Dirk W.:
"Wie man sieht, ist alles mit kleinem Aufwand machbar und am Ende verdeckt der VISATON-Mitteltöner komplett die alte Ausfräsung gefüllt mit Sperrholzplatte. Das Ergebnis, bisher auch ohne Änderung der Weiche, hat uns alle überrascht. Die Boxen klingen freundlich, lösen toll auf und der VISATON passt ins Hör- und Messbild als wäre er nur für diesen Zweck gebaut werden. So schließt sich der Kreis warum der Defekt mancher meiner Chassis ein Glücksfall war: Ich habe nicht nur meine alten Lieblinge wieder sondern auch noch ein vielversprechendes Konzept mit einem tollen Bauvorschlag namens Duo-DXT, welchen ich jedem nur zum Hören empfehlen kann. Außerdem konnte ich so zwei sehr nette und interessante Menschen kennenlernen und bin um die Erkenntnis reicher, dass selbst in der heutigen Zeit niemand unhörbares Zeug in einschlägigen Elektromärkten kaufen muss oder andererseits viel Geld in die Hand nehmen um im High-End-Laden zu kaufen. Wer super Lautsprecher bezahlbar haben möchte und etwas Geschick mitbringt baut immer noch am besten selbst! - Vorausgesetzt man kennt Thomas und Theo :-)" |
Fazit:
Manche betagten Selbstbau-Lautsprecher haben einen 2. Frühling verdient. Das Problem ist oft nur die passenden Ersatzteile zu finden. Da hilft natürlich Erfahrung. Aber ein Quäntchen Glück gehört auch dazu . . .
Kommentare
SPA30-PA, RS52,19 mm Kalotte als Beispiel - hier besser teilaktiv...
Servus aus Wien
Harald
ein schöner Bericht, vielen Dank dafür. Das Impedanzmaximum der kaputten Mitteltöner hätte mich noch interessiert sieht ja fies aus.
Ich hatte ja eigentlich mit dem Beitrag über die Impression gerechnet.. aber das hier ist auch prima.
Viele Grüße,
Lenni
die Impression hat uns mit Ihrer Zickigkeit fies in die Suppe gespuckt. Wir hatten noch nie einen Lautsprecher der sich so gesträubt hat gut zu klingen. Das dauert noch was.