Potenter 38er für offene Schallwände von HSB
Schon lange wollten wir uns mal mit dem Thema offene Schallwände befassen, denn seit Jahren erfreut sich diese Bauform großer Beliebtheit - sowohl im Segment der Fertiglautsprecher (z.B. JAMO R909, HIFIAkademie DiPol 2x15-8, Pure Audio Projekt oder SPATIAL AUDIO) als auch im Selbstbau (z.B. BPA Power Trio oder Variant Axiom 18).
EIN Problem bei Dipollautsprechern ist die Tieftonwiedergabe, denn durch den akustischen Kurzschluss (der Überdruck auf der Vorderseite hat nichts Besseres zu tun als sich augenblicklich mit dem Unterdruck auf der Rückseite auszugleichen anstatt in die weite Ferne zum Hörplatz zu schweifen) ist der Wirkungsgrad im Bassbereich sehr gering. Das heißt: es muss deutlich mehr Luft verschoben werden als z.B. bei einem geschlossenen Gehäuse um im Bassbereich denselben Schalldruck zu erzeugen.
Eine Simulation mit EDGE ergibt folgende Unterschiede im Freifeld:
- unter 200 Hz fällt der Frequenzgang mit 6 dB/Oktave ab
- bei 30 (40) Hz ist die offene Schallwand 8.5 (6.0) dB leiser als ein geschlossenes Gehäuse
- das muss mit der 7 (4) -fachen Leistung bzw. dem 2.7 (2) -fachen Hub kompensiert werden
In einem geschlossenen Raum ergeben sich noch größere Unterschiede wegen des 4.8 dB geringeren Diffusschallanteils der offenen Schallwand (s. Dipolplus, Thema Raumeinfluss).
Daher verwenden viele "erwachsene" Konstruktionen 2 große Tieftöner von 30 oder 38 cm Durchmesser, die von Hause aus auch noch einen "ordentlichen" Wirkungsgrad haben (typischerweise > 93 dB/W/m), damit die Schwingspulen den erhöhten Leistungsbedarf im Tiefbassbereich verkraften. Außerdem sollten die Chassis eine relativ hohen Gesamtgüte Qts haben (ideal wären 0.707) und eine Resonanzfrequenz im Bereich um 35 Hz. Ach ja: und viel linearen Hub sollten sie auch noch machen.
Eine Power Trio war einige Zeit bei uns zu Besuch, und dort stellten wir bei den verwendeten Bässen OMNES AUDIO OBW 15PA (38mm Schwingspulendurchmesser, 2.65 mm Schwingspulenüberhang) bei höheren Lautstärken schon eine Kompression im Bassbereich fest. Unser Ziel war es einen 38er Tieftöner zu finden, der einen Schwingspulendurchmesser von mindestens 63 mm hat (2.5") und einen Schwingspulenüberhang von mindestens 5 mm. Das neue Chassis in unserem Portfolio vertreiben wir ab Mitte-Ende Juni unter der Bezeichnung HSB 15OB in unserem Shop oder über Variant HiFi.
Unser detailliertes Datenblatt klärt, ob der HSB 15OB die Anforderungen im Bassbereich souverän erfüllt und wie hoch man ihn einsetzen kann . . .
Chassis-Datenblatt © www.hifi-selbstbau.de So werden Lautsprecherchassis von HiFi-Selbstbau gemessen |
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Hersteller/Vertrieb: HiFi-Selbstbau | Typ: HSB 15OB, 8 Ohm |
Foto des Chassis
Der äußere Eindruck:
Von vorne sieht der HSB 15OB wie ein typisches PA-Chassis aus:
· vierfach gewellte Textilsicke
· feingewellte Papiermembran mit 110mm durchmessender Papier-Dustcap
· vierteilige Pappdichtung für rückwärtige Montage
Von hinten fällt der kräftige Magnet auf (Durchmesser 170 mm, Höhe 20 mm), der eine ordentliche Motorisierung für die 75 mm durchmessende Schwingspule ergibt. Der Schwingspulenüberhang beträgt 5.5 mm, die elektrische Belastbarkeit (Rated Power Handling) beträgt 350 Watt. Der stabile Blechkorb stellt 8 Befestigungslöcher bereit, 8 Streben verbinden den Korbrand mit der Magnetaufnahme. Die Zentrierspinne ist nicht hinterlüftet, aber dafür ist die Polkernbohrung mit 36 mm Durchmesser reichlich dimensioniert.
Die TSP:
Membranfläche: | Außendurchmesser: Innendurchmesser: Plugdurchmesser: -> Membranfläche Sd: |
350 mm 310 mm - mm 855.3 cm² |
TSP aus Messung ohne Zusatzmasse (Mittelwert und Streuung von 5 Chassis, Anregung -12 dB): |
Resonanzfrequenz Fs DC-Widerstand Rdc Mechanische Güte Qms Elektrische Güte Qes Gesamtgüte Qts Effektive bewegte Masse Mms Äquivalentes Luftvolumen Vas Kraftfaktor BL Wirkungsgrad Eta (1m, 2.83V, Halbraum) |
30.26 Hz (+/-1.3%) 6.76 Ohm (+/-1.5%) 13.480 (+/-8.3%) 0.601 (+/-3.5%) 0.575 (+/-3.6%) 100 gr (nominell) 283.43 dm³ (+/-2.6%) 14.63 N/A (+/-1.4%) 93.81 dB (+/-0.19) |
Im Impedanzverlauf deuten sich zwei kleine Störstellen bei 450 und 1800 Hz an, die sich entsprechend als Störung im Frequenzgang wiederfinden. Die Impedanz steigt trotz des großen Schwingspulendurchmessers bis 1 kHz nur moderat mit der Frequenz an.
Der Gleichstromwiderstand ist mit 6.76 Ohm relativ hoch für ein 8 Ohm-Chassis (das Impedanzminimum liegt dann bei ca. 7.2 Ohm) - die ist ideal für eine Parallelschaltung von 2 Chassis ?.
Die Resonanzfrequenz ist nur sehr gering vom Anregungspegel abhängig, sie ändert sich bei Erhöhung der Anregung von -18 auf +6 dB nur um ca. 1.0% - ein erstes Indiz für "Nehmer-Qualitäten".
Für die bewegte Masse wurde der Nominalwert angenommen, da bei einem Open Baffle Chassis der Wert Vas ohne Bedeutung ist. Dafür wurden die Freiluft-TSPs bei insgesamt 5 Chassis bestimmt.
Die mechanische Güte ist trotz "fehlender" Hinterlüftung der Zentrierspinne mit 13.5 recht hoch: hier zahlt sich die große Polkernbohrung aus und die Tatsache, dass der Schwingspulenträger aus Kapton ist und es somit keine Wirbelstromverluste des Schwingspulenträgers gibt.
Nur Chassis 1 und 2 wurden vorher 3 Stunden eingerauscht. Die Streuung der TSPs ist dennoch sehr gering, ein erstes Indiz für eine gute Serienkonstanz.
Und was sagt LASIP zu den gemittelten TSPs?
In einem geschlossenen Gehäuse von 2000 Litern (Annäherung an eine unendlich große Schallwand) geht es bis ca. 37 Hz runter (Qtc = 0.61, rote Kurve) - nicht schlecht. Genau so tief geht es auch in einem geschlossenen Gehäuse von 250 Litern - aber das wäre mit Außenmaßen von ca. 50 x 55 x 120 cm deutlich klobiger als eine 50 cm breite und 120 cm hohe aber sehr flache Schallwand. Spendiert man dem 250 Liter Gehäuse ein Bassreflexrohr geht es bis 23 Hz runter - aber bei einer Abstimmfrequenz von 20 Hz profitiert man davon höchstens im Heimkino . . .
In einem 127 Liter großen, geschlossenen Gehäuse ergäbe sich eine Gesamtgüte von 1, ideal für ein GHP-System. Dafür wäre dann ein Vorkondensator von 1000 uF nötig, dafür ginge es aber bis 35.5 Hz runter.
Der Frequenzgang:
. . . verläuft auf Achse bis ca. 700 Hz weitgehend linear - wenn da nicht die 150 Hz breite Sickenresonanz um 450 Hz wäre ?. Oberhalb von 700 Hz steigt der Frequenzgang auf Achse schön gleichmäßig bis 1.8 kHz um ca. 5 dB an.
Die Bündelung setzt ab ca. 500 Hz ein, nimmt aber erst oberhalb von 700 Hz Fahrt auf. Unter 15° ändert sich der Frequenzgang bis 1.8 kHz kaum, unter 30° ist er am linearsten. Daher verläuft der winkelgewichtete Schalldruck bis ca. 1.8 kHz weitgehend linear.
Die Streuung der beiden Chassis auf Achse ist bis 3 kHz gering, beim winkelgewichteten Schalldruck zeigen sich aber schon ab 1.2 kHz deutliche Unterschiede.
Pseudorauschen > 200 Hz (0°. 15°. 30°. 45°. 60°; MP3 42 kB)
Sprungantwort/Pegellinearität
Die Sprungantwort sieht gutmütig aus, das Ausschwingen ist vorwiegend durch die Membranresonanz um 1.8 kHz kontaminiert (Dauer von 2 Perioden = 1.066 ms -> 2/0.001066 = 1880 Hz). Die Sickenresonanz ist im Ausschwingen nicht erkennbar.
Das periodenskalierten Zerfallspektrum sieht bis 1.6 kHz gut aus, aber dann schlägt die Membranresonanz zu . . .
Sprungantwort (Chassis 2, 20 cm, 0°)
Zerfallspektrum (Chassis 2, 20 cm, 0°)
Die Pegellinearität:
Bei einer Anregung von 84 bis 104 dB in 1 m Abstand (dafür werden 0.11 bis 11 Watt benötigt) gibt es bis 2 kHz kaum Linearitätsfehler > 0.5 dB.
Erhöht man die Anregung um 6 dB (0.45 bis 45 Watt), dann gibt es in der letzten Pegelstufe einen breitbandigen Anstieg des Linearitätsfehlers. Hier beträgt der Schalldruck am Mikrofon bereits 116 dB, das könnten also auch anteilig Linearitätsfehler des Mikrofons sein.
Der Klirrfaktor:
Die Klirrkomponente K2 zeigt zwischen 40 Hz und 1.5 kHz ein weitgehend konstantes Verhalten und erhöht sich moderat mit dem Anregungspegel. Der unharmonische K3 zeigt zwischen 70 Hz und 1.0 kHz ein weitgehend konstantes Verhalten und ändert sich in diesem Frequenzbereich kaum bei ansteigendem Pegel. Das gilt sinngemäß auch für die Klirrkomponenten K4, K5 und K7 (bei reduzierter oberer Grenzfrequenz).
Bei 1/3 der Membranresonanz von 5.3 kHz (ca. 1.8 kHz) zeigt sich ein ausgeprägtes Maximum der Klirrkomponente K3, bei K5 und K7 tritt dieses entsprechend bei 1060 bzw. 760 Hz auf.
Bei einem mittleren Schalldruckpegel von 85 / 90 / 95 / 100 / 105 / 110 dB liegt K2 zwischen 35 und 355 Hz im Mittel bei noch geringen 0.278 / 0.498 / 0.904 / 1.621 / 1.922 / 3.294 %. Für K3 gilt in diesem Bereich ein Mittelwert von (bis 100 dB) geringen 0.081 / 0.108 / 0.171 / 0.351 / 0.942 / 2.447 %. Bei 110 dB mittlerem Schalldruckpegel (das entspricht einem Anregungspegel von ca. 45 Watt) beginnt das Chassis zu kollabieren.
Nach unseren Untersuchungen (Klirrfaktor - wie viel ist zu viel?) wären ab 355 Hz nur K3 und K5 im untersuchten Pegelbereich oberhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle. Bis 95 dB sind unterhalb von 27 Hz nur K2 und K3 hörbar, selbst bei 110 dB gilt dies erst ab 38 Hz. Beide Chassis verhalten sich sehr ähnlich.
Klirrfaktor bei 85 bis 110dB/1m (Halbraum, 20 bzw. 48 cm)
HiFi-Selbstbau-Fazit:
Der HSB 15OB hat in unserer Folterkammer gezeigt, dass er auch bei hohen Pegeln und tiefen Frequenzen nicht in die Knie geht - damit hat er ideale Voraussetzungen für den Einsatz in einem lauten Open-Baffle-System. Einziger Wermutstropfen ist die Sickenresonanz um 450 Hz. In diesem Frequenzbereich sind aber auch Einflüsse der endlichen Schallwand zu erwarten (s. Einleitung). In Kombination mit einem 20er Breitbänder sollte die Trennfrequenz ohnehin bei ca. 300 Hz liegen. Ab 355 Hz liegen auch erste Klirrkomponenten oberhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle, hier sollte der HSB 15OB idealerweise aus dem Rennen genommen werden.
Die Resonanzfrequenz liegt mit gut 30 Hz niedrig und verspricht mit einer Gesamtgüte von 0.58 eine untere Grenzfrequenz von 37 Hz. Der Wirkungsgrad liegt mit 94 dB/2.83V/m dabei angenehm hoch, so dass auch im Bassbereich keine übermäßig hohen Leistungen erforderlich sind. Die bewegte Masse ist dabei mit 100 Gramm auch im grünen Bereich, so dass bei der mechanische Stabilität der Schallwand keine Klimmzüge gemacht werden müssen.
Aussichten
Der HSB 15OB wird in unserem Shop für 139 €/Stück erhältlich sein. Wir haben den Shop schon vorbereitet und bieten den "Early-Bird-Bestellern" einen Rabatt von knapp 20€/Chassis. Interessenten erhalten den Rabattcode per PN.
Leider ist der HSB-15OB nicht mehr lieferaber und wir haben ihn durch den REDCATT OBW15 ersetzt. Dieses ausführliche Datenblatt findet man hier.
Weiter arbeiten wir schon an einem Prototyp für ein Open-Baffle-System mit 2 Stück HSB 15OB. Wenn alle Liefranten mitspielen, werden wir auch ein Rahmensystem anbieten können bei dem die Holz Ober- und Unterteile austauschbar sind. So kann sich jeder seine persönliche Mittel-Hochtoneinheit dazu aussuchen. Hier eine Vorabansicht.
www.lavocespeakers.com/lavoce/assets/datasheets/LAVOCE_LBASS15-15_15in_WOOFER_A.a.pdf
Man könnte jetzt natürlich noch X weitere Chassis heraussuchen um herauszufinden ob denn das Chassis das wir gewählt haben nicht noch zu toppen ist. Ja, könnte man machen. Wir hatten etliche 38er hier und im RAR, der von uns ausgesuchte funktionierte auf Anhieb so wie wir uns das vorgestellt haben, daher nehmen wir den. Zudem, er hat eine 3" Schwingspule, das lässt uns ruhiger schlafen wenn es um die Abführung von Wärme geht und damit die dauerhafte Pegelfestigkeit
Ein Blick ins Datenblatt reicht da schon, um festzustellen, dass der die angestrebten Kriterien nicht erfüllt bzw. in einigen Parametern (Qts, FS) deutlich weiter entfernt ist als angestrebt. Ähnlich sind da erstmal nur die Abmessungen.