Car-HiFi ist normalerweise eine andere Welt! Da geht es eher um Lautstärke, Optik und Anfassqualität (massive Polklemmen, fette Magnete, Chrom etc.) als um HiFi. Qualität wird dort meist in kg in Euro gemessen. Aber es gibt auch Ausnahmen . . .
Auswahl der Komponenten
Ein Arbeitskollege hört zuhause immerhin mit A Capella Fidelio-Boxen und
Elektronik von Audiolabor und Restek und wollte auch in seinem 1992er Porsche
911 ordentlich beschallen. Bei solchen Liebhaberautos steht oft die originale
Optik im Vordergrund, so dass beim Thema Lautsprecherposition und -größe nicht
viel Verhandlungsspielraum war. Immerhin war schon serienmäßig ein 2-Wege-System
mit 13er Bass und externem Hochtöner eingebaut, so dass es zunächst darum ging
ein gutes Kombo-System in dieser Größenklasse zu finden. Die Wahl viel aufgrund
diverser guter Testergebnisse auf das System
130V2 von FOCAL.
Der Verstärker sollte ein einstellbares aktives
Hochpassfilter für die 2-Wege-Satelliten sowie umfangreiche
Einstellmöglichleiten für den noch anzuschaffenden Subwoofer bieten. All dies
(und gute Test-Referenzen) bot der
HIPHONIC "Son of
Europe".
Für das "Frontend" stand nur ein normaler DIN-Einbauschacht zur Verfügung. Da
das Armaturenbrett des 964 sehr sachlich gehalten ist wurde für das "CD-Radio"
das
BECKER Mexiko Pro CD ausgewählt (Gerät des Jahres 1999 der
autohifi-Redaktion).
Alle Komponenten wurden schon im Vorfeld umsichtig vom Arbeitskollegen
ausgewählt und sorgfältig eingebaut. Dabei wurden natürlich auch die Türen
sorgfältig entdröhnt und der Verstärker unter dem Beifahrersitz verstaut:
Aufstellungsort und Dimensionierung des Subwoofers
Bei der Auswahl des Subwoofers kam ich dann ins Spiel. Eigentlich wollte der
Kollege nur wissen ob ich einen guten Bass für einen Car-HiFi-Subwoofer kenne.
Nachdem wir ein paar "Rahmenbedingungen" abgesteckt hatten (max. Durchmesser,
max. Tiefe, max. Volumen, max. Preis) habe ich mal ein wenig in meinen Katalogen
rumgeblättert und den ein oder anderen Kandidaten gefunden. Als ich dem Kollegen
dann aber die simulierten Frequenzgänge gezeigt habe war er enttäuscht: "Der
geht ja nur bis 50 Hz!" Na ja, Simulationen im Car-HiFi-Bereich sind so eine
Sache. Das recht kleine Volumen des Autos (größte Abmessung < 2.5 m) wirkt im
Tiefbassbereich wie eine Druckkammer, was nur schwer genau simuliert werden
kann. Darüber stellt sich jedoch bis in den Grundtonbereich je nach
Lautsprecher- und Hörposition ein lokal sehr unterschiedlicher Frequenzgang ein.
Da das Auto ja schon vorhanden war habe ich dem Kollegen dann vorgeschlagen doch
erst mal einen geeigneten Platz für den Subwoofer auszumessen. Dazu gibt es im
Prinzip 3 Wege:
- Ich kaufe/baue mir einen Subwoofer, stelle ihn an
verschiedenen möglichen Plätzen auf und messe den Frequenzgang am Hörplatz.
Das ist das Harakiri-Prinzip (entweder es klappt oder es klappt nicht).
Diese Strategie verfolgen viele Car-HiFi-Freaks und glauben dann durch
schwerere, größere, teurere, geiler aussehende Bässe das Problem zu lösen.
Im Endeffekt ist dieses blinde Rumstochern dann aber oft ein sehr teurer
Spaß . . .
- Ich nehme mir einen gerade verfügbaren Subwoofer
(Frequenzgang EGAL!, aber KEIN Bassreflex), stelle ihn an verschiedenen
möglichen Plätzen auf und messe den Frequenzgang am Hörplatz. Dann messe ich
den Frequenzgang des gerade verfügbaren Subwoofers bei freier Aufstellung im
Nahfeld (deswegen kein Bassreflex), also ohne Raumrückwirkung durch das
Auto. Aus beiden Messungen kann ich mir den benötigten/gewünschten
Frequenzgang berechnen.
- Variante 2. funktioniert bei linearen Systemen dank der Reziprozität auch anders herum: ich positioniere den gerade verfügbaren Subwoofer an der HÖRPOSITION (die ja beim Auto eh vorgegeben ist) und suche mit dem Mikrofon geeignete Aufstellungsorte!
Variante 2. und 3. läuft auf eine Messung der "Frequenzgangverbiegung" (Fachbegriff: Übertragungsfunktion ÜF) durch das Auto hinaus, wobei diese von der Hörposition und der Anregungsposition abhängig ist. Da es sich um eine Relativmessung handelt (Pegel am Hörplatz pro Pegel im Nahfeld des Lautsprechers) benötigt man dazu KEIN kalibriertes Messsystem: mögliche Frequenzgangfehler von der Soundkarte und des Mikros heben sich durch die Division netterweise heraus!
Mit JustOct lässt sich dies ganz einfach machen, indem die Messung im Nahfeld des gerade verfügbaren Subwoofers gespeichert und als Referenzmessung geladen wird. Damit werden alle neuen Messung automatisch relativ zur Messung im Nahfeld angezeigt.
Wenn man eine Stelle mit möglichst wenig "verzappelter"
Übertragungsfunktion gefunden hat, dann muss der "ideale" Subwoofer einen
Frequenzgang haben der genau spiegelbildlich verläuft: bei Frequenzen, bei denen
das Auto die Wiedergabe stark begünstigt muss der Subwoofer nur wenig Output
machen und umgekehrt.
Soweit die trockene Theorie. Damit man sich das besser vorstellen kann folgen
hier nun die Messungen im Porsche. Zunächst der verwendete Subwoofer in 5 cm
Abstand von der Membran im Freifeld (auf dem Fahrersitz nach außen gerichtet,
Tür komplett offen):
-> unterhalb von 40 Hz produziert der verwendete,
"provisorische" Subwoofer kaum noch Output. Damit sind die folgenden Ergebnisse
des "scheinbar perfekten" Subwoofers unterhalb dieser Frequenz mit erhöhter
Unsicherheit behaftet (z.B. Einfluss durch Hintergrundgeräusche etc.)
Durch Speichern der Kurve und Laden als Referenzkurve ergibt sich
definitionsgemäß ein schnurgerader Frequenzgang. Alle weiteren Messungen
beziehen sich also auf diesen "scheinbar perfekten" Subwoofer:
Misst man denselben Subwoofer in einem Abstand von 5 cm auf der Fahrerohrposition bei geschlossenen Türen ergibt sich durch den Druckkammereffekt schon eine Abweichung von der 0 dB - Linie:
Dieser Effekt ist noch relativ ausgewogen, da die Messung
in großer Nähe zum Lautsprecher gemacht wurde. Je weiter man sich von der
Schallquelle entfernt, desto mehr dominiert der (Fahrgast-) Raum über das
Ergebnis und desto "verzappelter" sieht die Kurve aus!
Sehen wir uns mal die Frequenzgangverbiegung an, wenn der Subwoofer auf der
Fahrerohrposition spielt und sich das Mikrofon an verschiedenen Positionen im
Bereich des linken Rücksitzes befindet (die Ortsbezeichnung erfolgt nach dem
Schema "quer/hoch/längs"):
-> das Fahrzeug "schenkt" uns also etwa 10-15 dB 250 Hz gegenüber der Abstrahlung im Freifeld! Na, da sagen wir doch DANKE (besonders für die kostenlose Unterstützung < 35 Hz)!
-> bis auf die schwarze Kurve ist der Verlauf recht
gleichmäßig. Im Vergleich zum Schalldruckpegel in 5 cm Abstand werden Frequenzen
zwischen 60 und 150 Hz um 5 bis 8 dB leiser wiedergegeben (im Freifeld wäre in
einem Abstand von 50 cm ein 20 dB leiserer Pegel zu erwarten gewesen). Darunter
erzeugt unser "scheinbar perfekter" Subwoofer im Fahrzeug einen bis 30 Hz
gleichmäßig um bis zu 10 dB ansteigenden Frequenzgang!
Misst man mit dem Mikro im Bereich des rechten Rücksitzes ergibt sich ein
ähnlicher Verlauf, allerdings mit etwa 5 dB höheren Pegeln zwischen 60 und 125
Hz:
-> da das Auto weitgehend spiegelsymmetrisch ist dürfte
dies auch gleichzeitig der Frequenzgang am Beifahrerohr sein, wenn der Subwoofer
auf dem linken Rücksitz positioniert wäre.
Die folgende Kurve zeigt den geforderten Frequenzgang eines Subwoofers, der bei
Positionierung in diesem Fahrzeug auf der linken Rücksitzbank am Fahrerohr einen
perfekt linearen Frequenzgang erzeugen würde:
-> der für dieses Auto ideale Subwoofer (Rücksitz links -> Fahrerohr) müsste einen ab 70 Hz kontinuierlich mit 9 dB/Oktave abfallenden Frequenzgang haben! Dies kann näherungsweise durch ein geschlossenes Gehäuse mit einem Qts < 0.7 erzielt werden!
Nachdem diese nur für dieses Fahrzeug und diesen Einbauort gültige Zielfunktion erarbeitet worden ist, wurden die in Frage kommenden Kandidaten anhand der gefundenen Anforderungen neu bewertet. Schließlich fiel die Wahl auf den NOVA MDS08, der (für einen 20 cm Subwoofer):
- eine relativ geringe Bauhöhe hat (96mm)
- relativ preiswert ist (55.72 €)
- einen relativ hohen Wirkungsgrad besitzt (88 dB/W/m)
- und ausgesprochen schön/wertig aussieht
Die technischen Daten sind (Herstellerangaben):
Resonanzfrequenz | Fs [Hz] | 25 |
Freiluftgesamtgüte | Qts [-] | 0.315 |
Äquivalentvolumen | Vas [dm³] | 56.7 |
Bewegte Masse | Mms [gr] | 44.6 |
Gleichstromwiderstand | Rdc [Ohm] | 3.4 |
Damit ergibt sich in einem 17 Liter Gehäuse folgender Frequenzgang im Freifeld:
Das endgültige Design des Subwoofers nutzt den vorhandenen Platz hinter dem Fahrersitz optimal aus. Das Gehäusevolumen beträgt immerhin 17 Liter, so dass der NOVA MDS08 den geforderten Frequenzgang im Freifeld erzeugen kann:
Die folgende Kurve zeigt den Schalldruck am Fahrerohr. Am Subwooferverstärker
wurde der optionale Bassboost deaktiviert, außerdem war die Loudness
ausgeschaltet (siehe Photos oben). Lediglich die obere Grenzfrequenz wurde
angepasst:
-> ich denke überzeugender kann man den Erfolg der oben
beschriebenen Vorgehensweise nicht dokumentieren!
Musik besteht aber nicht nur aus tiefen Tönen. Als nächster Schritt wurde noch
der Pegel und die Phase an das Frontsystem angepasst. Der Verstärker hat zwar
keine kontinuierliche Phase, aber durch Verpolung des Subwoofers ließ sich am
Fahrerohr ein ausgewogenerer Frequenzgang erzielen.
Schließlich wurden noch die verschiedenen Einstellmöglichkeiten der
FOCAL-Frequenzweiche (Bass linear oder mit TP mit 12dB/Oktave, Hochton -6, -3
bzw. 0 dB) bei Musikwiedergabe subjektiv beurteilt.
Die optimale Stellung in Verbindung mit der optimalen Einstellung des Frontends (siehe Photo oben) ergab dann den folgenden Frequenzgang am Fahrerohr:
-> uuups, das ist aber nicht linear! Soll auch nicht, meint zumindest die Zeitschrift autohifi, die die rote Kurve als "idealen" Frequenzgang für eine Car-HiFi-Anlage ansieht.
Der "Vorteil" der Bassüberhöhung ist, dass das Fahrgeräusch des Autos (in der Regel TP 12 dB/Oktave bei 50 Hz) "bässer" übertönt wird. Die Hochtonabsenkung ist erwünscht, da der Hochtöner ja direkt "ins Ohr bläst" und in dieser Beschallungssituation ein linearer Frequenzgang als zu spitz empfunden würde.
Fazit:
Die optimale Auslegung und Aufstellung eines Subwoofers hängen miteinander
zusammen. Durch einen strukturierten Entwicklungsprozess kann unter gegebenen
Rahmenbedingungen (z.B. feststehende Hörposition) die optimale Lösung gefunden
werden, sowohl für Car-HiFi wie auch Home-HiFi. Wer den gegenseitigen Einfluss
von Subwoofer und Raum ignoriert wird - wenn überhaupt - nur durch Zufall eine
befriedigende Lösung finden.
Kommentare
Blüten der Marktwirschaft halt!!! Voodoo!!!
Greetz
klausl
Das macht mir sogar Lust, mal was für den Firmenwagen zu basteln...
Wie so oft muss man nur mal die Vorgehensweise verinnerlichen, dann kann's eigentlich gar nicht mehr so grob danebengehen.