Vergleich der Kalibrierspektren vom miniDSP UMIK1
Als das miniDSP UMIK1 ca. 2012 auf den Markt kam war es eine Sensation:
- durch die eingebaute Aufnahme-Soundkarte und den USB-Anschluss konnte man mit einem Laptop ein minimalistisches Messystem mit nur einem Anschlusskabel aufbauen
- die Korrekturspektren für 0° und 90° Schalleinfall konnte man von der Homepage runterladen
- der Preis war mit 99 €‚¬ angemessen, nein eher sehr günstig für die Zeit.
Relativ schnell wurde dieses Mikrofon auch von der Freeware Room EQ Wizzard (kurz: REW) unterstützt, nämlich ab der Version V5.10 vom 14.02.2015 (s. Revision history).
Unser erstes UMIK1 mit der Seriennummer 700-0330 haben wir am 06.03.2013 für einen Kunden kalibriert, und natürlich wich unser Kalibrierergebnis etwas von dem von miniDSP ermittelten Korrekturspektrum ab. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- miniDSP und wir verwenden ja nicht dasselbe Referenzmikrofon
- die Frequenzgangabweichung unserer jeweiligen Referenzmikrofone wurde unterschiedlich ermittelt
- wir haben sicherlich unterschiedliche Messaufbauten (s.u.)
Wenn man bedenkt, dass ein hochwertiges Messmikrofon der höchsten Qualitätsklasse (gemäß IEC 61672-1:2013 class 1) eine Abweichung von +2 bzw. -3 dB bei 10 kHz haben darf, dann können 2 hochwertige Mess-Mikrofone trotz Mitgliedsausweis der höchsten Qualitätsklasse bei 10 kHz bis zu 5 dB unterschiedliche Werte anzeigen!
Allerdings sollte diese beobachtete Differenz der beiden Korrekturspektren bei mehreren Mikrofonen desselben Typs im Idealfall immer gleich sein - wenn auf beiden Seiten:
- immer mit demselben Referenzmikrofon
- und immer mit demselben Messaufbau
gemessen wird (dazu später mehr).
Wie miniDSP die Kalibrierung der UMIK-1 macht ist leider nicht dokumentiert. Der sehr gleichmäßige Kurvenverlauf legt jedoch nahe, dass die eigentliche Messung deutlich geglättet wurde.
Wir führen eine Freifeld-Kalibrierung in ca. 50 cm Abstand mit hängendem Mikrofon durch, wobei der Lautsprecher mit einem rosa Rauschen mit 30 dB Bassanhebung bei 10 Hz angesteuert wird um auch bei tiefen Frequenzen das Hintergrundgeräusch zu übertönen. Die Messung erfolgt mit einer Frequenzauflösung von 1/12-Oktave, wobei keine gleitende Mittelung verwendet wird, sondern die Energie in einem 1/12-Oktavband aufsummiert wird.
Quelle: 1000 Mikrofonkalibrierungen - eine Übersicht
Statistische Auswertung der miniDSP UMIK1-Daten
Das Schöne am UMIK-1 ist, dass man die Kalibrierspektren von ALLEN jemals gemessenen UMIK-1 von der miniDSP-Homepage runterladen kann. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags (Mitte Februar 2025) war die höchste vergebene Seriennummer 716-1785, die niedrigste 700-0001. Das bedeutet, dass miniDSP seit 2012 ca. 161785 UMIK1 kalibriert hat. Bei einem Verkaufspreis von 79 $ wäre das in 12 Jahren ein Umsatz von knapp 13 Mio $ - nicht schlecht Herr Specht!!!
Bei einer angenommenen Kalibrierdauer von 1 Minute pro Mikrofon wären das demnach 161785 Minuten oder 2696 Stunden oder 337 Arbeitstage (bei 8 Stunden/Tag) bzw. 1.5 Jahre (bei 220 Arbeitstagen/Jahr) reine Kalibrierzeit.
Und wir haben uns die Mühe gemacht alle 161785 Datensätze runterzuladen (nur die 0°-Dateien). Um die Kalibrierspektren der Seriennummern 7000001 bis 7001000 runterzuladen kann man z.B. eine BAT-Datei schreiben mit dem Inhalt:
FOR /L %%i IN (7000001,1,7001000) DO (powershell Invoke-WebRequest 'https://www.minidsp.com/scripts/umikcal/umik.php/%%i.txt?download' -outfile .\%%i.txt)
Das dauert dann pro runtergeladenem Datensatz ca. 2 Sekunden - bei 161785 Datensätzen also mehr als 5393 Minuten oder 90 Stunden - viel Spaß dabei. Ach ja, und ordentlich Plattenplatz sollte man auch haben, denn die im Schnitt ca. 10 kB großen Datendateien sind zusammen 1,542,977,496 Bytes bzw. 1.43 GB groß (Netto) und nehmen auf der Festplatte ca. 1.75 GB Platz weg (Brutto).
Interessanterweise haben nicht alle Dateien dasselbe Format:
Seriennummer | Anzahl Frequenzlinien | Fmin [Hz] | Fmax [Hz] | Auflösung [Hz] | Insgesamt |
z.B. 700-0001 | 80 | 20.396 | 19152.066 | ca. 1/8 Oktave | 188 |
z.B. 700-0190 | 615 | 10.054 | 20016.816 | ca. 1/56 Oktave | 152939 |
z.B. 706-0837 | 133 | 10 | 20000 | ca. 1/12 Oktave | 576 |
z.B. 708-1926 | 0 | - | - | - | 8082 |
Auch der Header hat öfter gewechselt:
- es gibt 130928 Datensätze, bei denen die 1. Zeile in Hochkommas (") eingeschlossen ist
- es gibt 22775 Datensätze, bei denen die 1. Zeile nicht in Hochkommas (") eingeschlossen ist
- es gibt 25925 Datensätze, bei denen die 1. Zeile den Hinweis AGain = 18dB enthält
Das alles sieht danach aus, dass der Kalibrierprozess mehrfach umgestellt wurde (Frequenzauflösung) und ggf. an mehreren Orten/von mehreren Zulieferern durchgeführt wurde (Header). Hier mal die Anzahl der Frequenzlinien (Y-Achse) als Funktion der Seriennummer (X-Achse):
- zwischen den Seriennummern 708-1926 und 709-0002 (= 8077 Datensätze) gibt es keine gültige Kalibrierdatei
Besonders interessant ist der Verlauf der angegebenen Empfindlichkeit [dB] als Funktion der Seriennummer:
- von den Seriennummern 700-3690 bis 700-7764 streut die Empfindlichkeit besonders stark (Mittelwert -0.51 dB, Standardabweichung +/- 2.57 dB, Max 9.92 dB, Min -24.62 dB)
- von den Seriennummern 700-0001 bis 700-0539 ist die mittlere Empfindlichkeit nur -19.49 dB (Standardabweichung +/- 2.93 dB, Max -14.76 dB, Min -25.10 dB)
- ab der Seriennummer 709-0003 streut die mittlere Empfindlichkeit recht gleichmäßig (Mittelwert -0.91 dB, Standardabweichung +/- 0.94 dB, Max 1.21 dB, Min -5.14 dB)
Wir wollten aber natürlich nicht nur den Verlauf der Sensitivity oder der Anzahl der Frequenzlinien als Funktion der Seriennummer ermitteln, sondern auch alle Frequenzgänge anzeigen. Da EXCEL (und vergleichbare Programme wie Libre Office Calc) leider nicht mehr als 255 Kurven darstellen kann und ich keine Lust hatte mich in gnuplot, GNU Octave etc. einzuarbeiten habe ich kurzerhand ein eigenes Anzeigeprogramm geschrieben, das alle 161785 Korrekturspektren in vertretbarem Zeitraum anzeigen und einige statistische Kennwerte (s.u.) berechnen kann:
-> im Mittel ist der Frequenzgang bei 30 Hz um 1.0 dB und bei 8 kHz um 2.5 dB zu hoch
-> die Standardabweichung ist bei 30 Hz +/- 0.5 dB, bei 8 kHz +/- 1.0 dB
-> die maximalen Abweichungen sind bei 20 Hz +4.18 bzw. -4.85 dB, bei 10 kHz sind es +6.23 / -2.98 dB
Vergleich der Empfindlichkeiten
Wir haben insgesamt 722 UMIK1 kalibriert. Bei sechs UMIK1 war die Seriennummer nicht mehr erkennbar, 10 waren bei der Kalibrierung defekt (konnten vom PC nicht erkannt werden oder hatten einen sehr starken Abfall zu tiefen oder hohen Frequenzen und wurden beim Hersteller reklamiert). Von 13 Mikrofonen konnte unsere Kalibrierdatei nicht mehr gefunden werden (bzw. befindet sich noch auf dem Mess-PC, auf den ich wegen Haxenbruch momentan nicht zugreifen kann). Bleiben also 693 Mikrofone für den Vergleich.
Zunächst wurde die Empfindlichkeit verglichen, wobei die Angabe von miniDSP [dB] in [mV/Pa] umgerechnet wurde bei Annahme einer Empfindlichkeit von 1000 mV/Pa für Vollaussteuerung. Dann ergeben sich folgende Kurven (die X-Achse zeigt das 1. bis 722. UMIK1):
- ab dem 480. Paar schwankt die Empfindlichkeit deutlich stärker, darunter scheint die Empfindlichkeit bei 1000 mV/Pa "gedeckelt" zu sein
- die Schwankungsbreite der Empfindlichkeit nimmt bei höheren Paaren kontinuierlich leicht zu
Wenn man nun beide Werte durcheinander teilt sollte eigentlich ein konstanter "Umrechnungsfaktor" rauskommen - theoretisch:
- bis zum 470. Paar ergibt sich ungefähr ein Umrechnungsfaktor von 1, darüber schwankt er deutlich stärker zwischen 0.5 und 1.6 (weil die miniDSP-Empfindlichkeit deutlich stärker schwankt)
Die Paare sind übrigens nicht nach der miniDSP-Seriennummer sortiert, sondern nach dem Kalibrierdatum. Es kommt also immer mal wieder vor, dass bei einem "hohen" Paar eine niedrige Seriennummer kalibriert wird. Dennoch hätte sich ja eigentlich ein konstanter Umrechnungsfaktor ergeben sollen - hätte, hätte, Fahrradkette . . .
Dabei muss angemerkt werden, dass wir die Empfindlichkeit ausschließlich durch den Vergleich mit dem Referenzmikrofon ermittelt haben und nicht mit einem Pegelkalibrator. Vor jeder Kalibrier-Session (von mehreren Mikrofonen) wird unser Referenzmikrofon immer gleich gemessen und mit den Ergebnissen der vorherigen Messung verglichen. In unserem Bericht 1000 Mikrofonkalibrierungen - eine Übersicht wird auch der relative Frequenzgang unseres Anregungslautsprechers über der Zeit gezeigt - 80% der ungeglätteten Messwerte liegen > 100 Hz im Bereich +/- 0.7 dB
Diese kleinen Schwankungen kommen wahrscheinlich durch Unterschiede der Temperatur, des Luftdrucks, der relativen Luftfeuchtigkeit, der Anregungsspannung und dem "Füllgrad" des Raumes außerhalb der Messkabine. Aber das Schöne ist, diese Unterschiede heben sich ja durch den Vergleich heraus, denn während der Kalibrier-Session ändert sich ja nichts.
Wie miniDSP den angegebenen Pegel bestimmt ist leider nicht dokumentiert.
Vergleich der Frequenzgänge
Kommen wir nun zum heikelsten Punkt - der Abweichung des Frequenzgangs der Korrekturspektren. Wie oben schon erwähnt ist zwar zu erwarten, dass es einen Unterschied zwischen den Korrekturspektren gibt - aber dieser sollte gefälligst weitgehend konstant sein. Damit die Werte überhaupt verglichen werden können wurden die miniDSP-Dateien mit ggf. unterschiedlicher Frequenzauflösung zunächst auf eine konstante Frequenzauflösung von 1/12-Oktave umgerechnet und dann wurde die Differenz (Korrekturspektrum_HSB) - (Korrekturspektrum_miniDSP) berechnet. Da EXCEL leider nicht mehr als 255 Kurven darstellen kann wurden nur die statistische Werte Mittelwert, Mittelwert + Standardabweichung, Mittelwert - Standardabweichung, Perzentil P95 und Perzentil P5 berechnet:
|
-> unser Referenzmikrofon zeigt bei 16 Hz ca. 1.6 dB zu wenig an und von 12.5 bis 16 kHz ca. 2.0 dB zu viel
-> 68.3% aller Unterschiede liegen bei 16 Hz im Bereich -1.6 +/- 1.3 dB, von 12.5 bis 16 kHz im Bereich +2.0 +/- 0.9 dB zu viel
-> 90% aller Unterschiede liegen bei 16 Hz im Bereich +0.2 / -3.5 dB, von 12.5 bis 16 kHz im Bereich +3.2 / +0.4 dB
Aber woher kommt dieser relativ breite Bereich der Unterschiede? Dazu haben wir mal nachvollzogen, wie viele "neue" Mikrofone wir kalibriert haben und wie viele schon bereits vom Kunden benutzte:
- insgesamt 585 Mikrofone (= 84.4 %) waren "neu", nur 108 Mikrofone (= 15.6 %) waren bereits vorher beim Kunden im Einsatz - bis zum 650. Paar lag die Quote bei 88.0% bzw. 12.0% (danach haben wir vermehrt das preiswertere OMNITRONIC MM2-USB verkauft)
Oftmals haben wir 10 Mikrofone in einem Rutsch kalibriert, in 3 Fällen sogar 20 Mikrofone in einem Rutsch. Hier wäre zu erwarten, dass die Standardabweichung kleiner ist, da sich der Messaufbau und die Temperatur und die Luftfeuchte ja nicht geändert haben. Hier die Ergebnisse der 3 Pakete à 20 Mikrofone:
-> die Standardabweichungen sind deutlich geringer als bei allen Mikrofonpaaren
-> die Mittelwerte der 20er Pakete weichen deutlich voneinander ab (und vom Mittelwert aller Mikrofonpaare)
Und jetzt? Woran kann man erkennen, woher die hohe Standardabweichung bei Berücksichtigung von allen Mikrofonen und die Abweichung des Mittelwertes bei den 3 Paketen à 20 UMIK1 kommt? Man könnte mal die Differenz nur bei den neuen Mikrofonen berechnen (miniDSP misst ja auch nur neue Mikrofone). Gesagt, getan:
-> Trotz 108 "gelöschten" Mikrofon-Differenzen ist das Ergebnis weitestgehend identisch
Nachmessung von Mikrofonen
Manche Kunden (vor allem gewerbliche) schicken ihre Mikrofone nach 5 oder 10 Jahren mal zur Überprüfung - oder lassen sie dann überprüfen, wenn das Mikrofon z.B. runtergefallen ist und der Kunde einen Defekt ausschließen möchte. Dadurch haben wir einen Pool von 17 Mikrofonpaaren (davon 4 mit UMIK1), die mehrmals gemessen wurden. Hier eine Liste mit einigen Kenndaten:
Nr | Dateiname 1. Kalibrierung |
Datum 1. Kalibrierung |
Sensitivity [mV/Pa] 1. Kalibrierung |
Dateiname 2. Kalibrierung |
Datum 2. Kalibrierung |
Sensitivity [mV/Pa] 2. Kalibrierung |
Anzahl Tage zwischen Kalibrierungen |
à„nderung der Sensitivity [dB] |
1 | M102CU_E8000FBL | 21.07.2008 | 921.30 | M102CU2_E8000BL | 06.09.2012 | 895.16 | 1508 | -0.25 |
2 | M102HW_E40FIM_00d | 07.09.2011 | 406.72 | E40FIM_M102HW2_00d | 29.09.2014 | 387.70 | 1118 | -0.42 |
3 | E8000DS_M102GH | 14.09.2010 | 903.86 | E8000DS_M102GH_2_00d | 09.12.2014 | 811.52 | 1547 | -0.94 |
4 | M102EG_E40FDT | 04.05.2009 | 280.22 | E40DT2_allein_00d | 15.04.2015 | 2.13 | 2172 | -0.40 |
5 | M102CG_E40FBZ | 22.03.2008 | 241.32 | E40BZ_M102CG_2_00d | 12.06.2015 | 150.38 | 2638 | -4.11 |
6 | UMIK1IH_00d | 08.05.2017 | 832.15 | UMIK1IH2_00d | 16.05.2018 | 811.90 | 373 | -0.21 |
7 | E40FVE_M102QH_00d | 10.02.2016 | 370.77 | E40VE2_M102QH_00d | 11.09.2020 | 339.70 | 1675 | -0.76 |
8 | UMIK1PT_00d_48k | 19.10.2019 | 942.54 | UMIK1PT3_00d_48k | 17.03.2021 | 864.37 | 515 | -0.75 |
9 | UMIK1TH_00d_48k | 19.02.2021 | 971.63 | UMIK1TH2_00d_48k | 24.03.2021 | 1015.55 | 33 | 0.38 |
10 | E40ACA_allein_00d | 11.06.2021 | 2.16 | E40FACA_M102TS_00d | 31.08.2021 | 282.36 | 81 | 0.35 |
11 | M102LR_E40FNL_00d | 26.06.2013 | 498.43 | E40NL_allein_00d | 24.08.2023 | 3.58 | 3711 | -0.89 |
12 | E40FABN_M102TI_00d | 17.08.2020 | 205.26 | E40FABN_M102TI_2_00d | 01.02.2024 | 208.93 | 1263 | 0.15 |
13 | UMIK1XU_00d_44k | 30.10.2023 | 1222.93 | UMIK1XU3_00d | 15.04.2024 | 1212.27 | 168 | -0.08 |
14 | M102FD_E8000FDA | 02.12.2009 | 568.33 | E8000DA_M102FD2_00d | 10.06.2024 | 426.87 | 5304 | -2.49 |
15 | E40FYW_M102RW_00d | 02.03.2018 | 182.35 | E40YW_M102RW2_00d | 26.06.2024 | 149.97 | 2308 | -1.70 |
16 | M102EQ_E40EF_00d | 23.07.2009 | 296.69 | E40EF_M102EQ2_00d | 16.07.2024 | 267.61 | 5472 | -0.90 |
17 | MM2USB_CF_00d | 09.09.2022 | 158.05 | MM2USB_CF2_44k_00d | 16.07.2024 | 156.21 | 676 | -0.10 |
Avg | 1798 | 1679 | ||||||
StDev | -0.77 | 1.12 |
Es handelt sich also um Daten, die zwischen dem 21.07.2008 und dem 16.07.2024 gemessen wurden - immerhin ein Zeitraum von 16 Jahren! Zwischendurch haben wir 1x den Messrechner, 1x die Soundkarte, 1x den Vorverstärker und 1x das Betriebssystem gewechselt, und einmal musste wegen eines Wasserschadens unser Messpodest komplett demontiert und wieder aufgebaut werden (und weil es so schön ist wurde das nicht in einem Rutsch, sondern in mehreren Etappen gemacht). Das einzig konstante war unser Referenzmikrofon und der Chef-Kalibrierer ;-) Die Schwierigkeit bestand vor allem darin trotz der à„nderungen über den gesamten Zeitraum sowohl den Pegel- als auch die Frequenzgang-Kalibrierung zu gewährleisten.
Die Mikrofone wurden demnach im Schnitt nach 5 Jahren erneut kalibriert, die kürzeste Spanne betrug 33 Tage (Retoure), die längste 5472 Tage (= 15 Jahre). Wie schon erwähnt wurden die Mikrofone häufig eingeschickt, weil nach einem "Unfall" (z.B. ist das Mikro samt Ständer umgekippt und auf den Steinboden gekracht) überprüft werden soll. Nach 15 Jahren (längster Zwischenraum) ist darüber hinaus zu erwarten, dass das Mikrofon gealtert ist und sich nicht mehr gleich verhält.
Teilweise wurden auch Messkombis (MPA 102 + Mikro) mit einzelnen Mikros verglichen (z.B. hat der Käufer einer Messkombi nur das Mikro verkauft) - dann wurde die Empfindlichkeit um 42 dB bzw. den Faktor 125.9 korrigiert. Und so sehen die "ungeschönten" Differenzen dann aus (gleiche Skalierung wie bei den Ergebnissen der UMIK1):
Hinweis: es wurden ALLE "doppelten" Messergebnisse berücksichtigt, es wurde kein doppelter Datensatz "verschwiegen"!!!
Auch hier wurden wieder statistische Kennwerte berechnet (wegen der geringen Anzahl von 17 Paaren wurden die Perzentile P90 und P10 berechnet um "Ausreißer" zu unterdrücken). ACHTUNG: die Skalierung ist deutlich feiner als oben!!!)
- Generell sind die Unterschiede gering - obwohl teilweise bis zu 15 Jahren zwischen den Kalibrierungen lagen oder das Mikro zwischendurch hingefallen ist
- Die Unterschiede sind an den Frequenzenden natürlich am größten, bei 20 Hz liegen 80% der Differenzen zwischen +/- 0.5 dB (unteres Bild)
- Auffällig sind vor allem die Überhöhung von 3.3 dB bei 15 kHz von Nr. 5 und der Abfall von 1.5 dB bei 10 kHz von Nr. 9 - hier dürfte es sich um Ausreißer/"Unfälle" handeln
- Der Mittelwert aller Abweichungen (inkl. Ausreißer) liegt im Bereich von +/- 0.26 dB - ein sehr guter Wert
Vergleicht man diese Differenzen mit den Differenzen der UMIK1 so fällt auf, dass die Differenzen der "Doppelten" deutlich geringer sind als z.B. die Differenzen der Mittelwerte der 3 Pakete à 20 Mikros vom UMIK1 - obwohl die Messbedingen für die UMIK1 ungleich günstiger waren (alle Mikros in einem Rutsch, alle Mikros brandneu). Dies legt den Schluss nahe, dass die beobachteten Differenzen bei den 3 Paketen à 20 UMIK1 höchstwahrscheinlich nicht von unserem Messaufbau kommen, sondern dass die miniDSP-Daten systematische Unterschiede haben (z.B. mehrere Kalibrierstellen mit unterschiedlichen Referenzmikrofonen).
Würde man die beiden vermuteten "Ausreißer" (Nr. 5 und Nr. 9) nicht berücksichtigen wären die Abweichungen noch geringer - und das über einen Zeitraum von 16 Jahren!! Das macht uns sehr zuversichtlich, dass unsere Kalibrierung langzeitstabil ist - ein nicht ganz unwichtiges Kriterium für unseren Kalibrierdienst, den wir seit nunmehr 19 Jahren anbieten. Mittlerweile haben wir fast 3900 Mikrofone kalibriert und so unsere Kunden in die Lage versetzt z.B. den Frequenzgang von Lautsprechern korrekt zu messen.
Frequenzgang unseres Referenzmikrofons
Unser Referenzmikrofon ist bis zu 2 dB "lauter" als das UMIK1-Referenzmikrofon, wie der Mittelwert aller Differenzen zeigt:
In 2006 haben wir am ersten ARTA-Ringversuch teilgenommen. Die Auswertung attestierte unserer Messkette einen weitgehend linearen Frequenzgang (s. S. 13), wenn:
- als Referenz das Visaton Messmikrofon B&K 4133 genommen wird
- der jeweilige Teilnehmer sein Korrekturspektrum verwendet
- der Raumeinfluss durch Abschneiden der Impulsantwort reduziert wird
Hierbei handelt es sich NICHT um eine Kalibrierung nur des Mikrofons, sondern es wurde immer dasselbe Breitbandchassis vermessen, wobei die Schallwand (und die Montage des Breitbänders auf der Schallwand) durch jeden Teilnehmer nach Zeichnung selbst erstellt wurde -> hierdurch sind bereits leichte Unterschiede zu erwarten. Neben der Messkette kann sich so also auch die unterschiedliche Umsetzung der Messschallwand und ggf. der Einfluss von unterschiedlicher Lufttemperatur und Luftfeuchte und Alterung/Veränderung des Breitbänders durch den Versand auswirken.
Bei der Beurteilung des Frequenzgangs muss auch Berücksichtigt werden, dass Visaton ggf. nur den nominellen Frequenzgang gemäß Herstellerprospekt kompensiert hat (in der Dokumentation des Ringversuchs ist jedenfalls kein individuelles Kalibrierprotokoll des B&K 4133 mit Seriennummer zu finden, wie dies z.B. beim Microtech Gefell MK221 der Fall ist) und nicht den individuellen Frequenzgang des verwendeten Mikrofons. Aber selbst, wenn dies geschehen wäre lässt das Ergebnis des ersten ARTA-Ringversuchs den Schluss zu, dass sich unser Referenzmikrofon bis 15 kHz weitgehend linear verhält und ggf. erst oberhalb von 15 kHz bis zu 1.8 dB zu wenig anzeigt. Dies würde dann dazu führen, dass wir einem perfekt linearen Mikrofon oberhalb von 15 kHz einen 1.8 dB zu "lauten" Frequenzgang attestieren würden. Der Vergleich mit der mittleren Abweichung der ca. 700 UMIK1-Mikrofone zeigt aber einen höheren Pegel schon ab 10 kHz (+1.5 dB), so dass dies nicht durch eine Frequenzabweichung unseres Referenzmikrofons erklärt werden kann, sondern höchstwahrscheinlich ein Fehler des UMIK1 wegen Verwendung eines nicht korrekt korrigierten Referenzmikrofons ist.
Fazit
War das Messen von Lautsprechern Anno 2006 wegen der geringeren Verfügbarkeit von Messprogrammen noch eher etwas für Spezialisten ist es heute in der Breite angekommen - nicht zuletzt wegen der USB-Mikrofone (allen voran das UMIK1) und der weit verbreiteten Freeware Room EQ Wizzard (kurz: REW).
Die Analyse der Kalibrierspektren von 693 UMIK1, die gesonderte Analyse von 3 Paketen à 20 UMIK1 und der Vergleich von doppelt kalibrierten Mikrofonen zeigt:
- dass es im Mittel einen systematischen Fehler des von miniDSP angegebenen Frequenzgangs gibt
- dass es eine relativ hohe Standardabweichung der UMIK1-Differenzen gibt
- dass die Wiederholgenauigkeit unserer doppelt kalibrierten Mikrofone deutlich besser ist als die Standardabweichung der UMIK1-Differenzen
Wir attestieren den UMIK1-Mikrofonen im Mittel einen ca. 2 dB "lauteren" Frequenzgang um 12.5 kHz bzw. einen 1 dB "leiseren" Frequenzgang um 20 Hz als miniDSP (Standardabweichung jeweils +/- 1 dB). Damit läge der Mittelwert der korrigierten UMIK1 (unter Verwendung des miniDSP Korrekturspektrums) immer noch im Toleranzschlauch für Class1-Mikrofone (s.o). Unter Berücksichtigung der ermittelten Standardabweichung von +/- 1 dB wäre dies für die Hälfte der UMIK1 aber schon nicht mehr der Fall, weil "nach oben" keine Luft mehr ist . . .
Welche Auswirkung hat das auf die Einmessung von Lautsprechern z.B. mit REW?
- Zunächst wird das Ausgangssignal des Mikrofons gemessen -> das ist die Summe aus dem Frequenzgang des Lautsprechers und dem Frequenzgang des Mikrofons
- Dann wird davon der Frequenzgang des Mikrofons [dB] abgezogen (sofern das passende Korrekturspektrum geladen ist): wenn das Mikrofon bei einer bestimmten Frequenz z.B. 2 dB "zu laut" ist, dann sind diese 2 dB ja kein Fehler des Lautsprechers, sondern ein Fehler des Mikrofons und der unter 1. gemessene Frequenzgang wird um diese 2 dB reduziert um das "wahre" Ergebnis (= Frequenzgang des Lautsprechers) zu erhalten
Bei Verwendung unseres Korrekturspektrum wäre der Frequenzgang um 12.5 kHz im Mittel also 2 dB leiser (bzw. um 20 Hz 1 dB lauter) als bei Verwendung des miniDSP-Korrekturspektrum. Bei gleicher Zielfunktion (z.B. gerader Frequenzgang) müsste man also (bei Verwendung unseres Korrekturspektrums) die Höhen um 12.5 kHz um 2 dB anheben (bzw. bei 20 Hz um 1 dB absenken). Dann hat man die Rechnung aber ohne die Standardabweichung von +/- 1 dB gemacht, wobei ja (bei einer Normalverteilung) 95.4% aller Messwerte sogar im Bereich Mittelwert +/- 2*Standardabweichung (also +/- 2 dB) liegen und 99.7% im Bereich Mittelwert +/- 3*Standardabweichung (also +/- 3 dB)
Dieser mittlere Unterschied hört sich nicht nach sooo viel an (vor allem bei Leuten jenseits der 60, die solch hohe Frequenzen als Sinustöne nicht mehr so gut wahrnehmen), aber zusammen mit der Standardabweichung sprechen wir von 2 +/- 2 dB - also bis zu 4 dB! Von unseren Kunden haben wir schon mehrfach gehört, dass die Einmessung z.B. mit Dirac Live auf Basis unserer Kalibrierspektren hörbar ausgewogener klingt als unter Verwendung der miniDSP-Kalibrierspektren - dann hat sich der ganze Aufwand mit der genauen Kalibrierung ja gelohnt . . .
Den Frequenzgang unseres Vorverstärkers MONACOR MPA-202 rechnen wir dabei heraus.