Quelle: StereoplayAnalyse der Stücke auf der Natural Bass-CD (Beilage Stereoplay 6/2014)

Auf der STEREOPLAY-Heft-CD Natural Bass Vol. 1 (noch bis 12.06.2014 im Zeitschriftenhandel erhältlich) finden sich zahlreiche Stücke, die zur Beurteilung der Basswiedergabe dienen sollen. Das erweckt natürlich den Eindruck, dass darauf viele laute und tiefe Töne zu finden sind.

Wir haben das mal mit unserem Standard-Tool WaveAnalyzer analysiert. Um auch tiefere Frequenzen als 18 Hz sehr fein analysieren zu können mussten wir etwas "tricksen":

 

 

 

 

wurden alle Töne über 1000 Hz weggefiltert mit einem Tiefpassfilter 8. Ordnung (48 dB/Oktave) -> es kommen so gut wie keine Töne über 5500 Hz mehr vor (Voraussetzung für das anschließende Resamplen)
haben wir den Stücken eine Abtastrate von 88200 Hz "verpasst" (ohne Resamplen) -> dadurch wird der Soundkarte "befohlen" die Stücke doppelt so schnell abzuspielen, alle Frequenzen wurden dadurch um den Faktor 2 hochgesetzt
dann wurden die Stücke resamplet auf 11025 Hz - wir sind hier schließlich nur an den tiefen Tönen interessiert
dann wurden die Stücke mit dem WaveAnalyzer analysiert (eine Blockgröße von 32768 Abtastwerten ergibt eine Frequenzauflösung von 11025/32768 = 0.336 Hz
zum Schluss werden die Frequenzen der Analyseergebnisse wieder durch 2 geteilt -> voilà, es gibt Informationen bis hinunter zu 9 Hz mit 0.168 Hz Auflösung (die 10 Hz 1/12 Oktave ist 0.32 Hz breit)

Es gibt jeweils 2 Auswertungen:

 

  • der energetische Mittelwert des Frequenzspektrums über das gesamte Stück und über beide Kanäle - ein Stück was hier mit tiefen Tönen auffällt beinhaltet also dauernd laute und tiefe Töne
  • der Maximalwert des Frequenzspektrums über das gesamte Stück und über beide Kanäle - ein Stück was hier mit tiefen Tönen auffällt beinhaltet zumindest auf einem Kanal kurzfristig tiefe Töne

Zunächst kommen die gemittelten Analysen (AvgLR_*):


- unter 16 Hz ist der Gewinner das Stück 8 (1812 Finale)
- darüber sind bis 20 Hz die Stücke 6 (Hommage a Handel) und 7 (Sinfonie 3 - Finale) gut dabei
- den größten Dauerpegel um 33 Hz haben die Stücke 9 und 10 mit der großen Trommel

Wirklich stressig sind aber die kurzzeitig auftretenden Maximalpegel im Bass (MaxLR_*) - auch da darf die Anlage nicht aus dem Tritt kommen:


- unter 13 Hz ist der Gewinner das Stück 8 (1812 Finale)
- bei 13 Hz ist auch Stück 5 (Toccata und Fuge D-Moll) sehr pegelstark
- zwischen 17 und 25 Hz geht es im Stück 7 (Sinfonie 3 - Finale) ganz gut zur Sache
- bei 18 Hz ist im Stück 6 (Hommage a Handel) sehr viel los
- die großen Trommeln (Stück 9 und 10) haben auch den größten Maximalpegel um 33 Hz

Die Stücke 14 bis 18 glänzen zwar nicht mit hohen Pegeln im Tiefstbassbereich, sind aber gut geeignet Raumresonanzen anzuregen. Das gilt insbesondere für die Stücke 14 und 15 mit dem E-Bass, wo "reine Töne" gespielt werden:

  • Im Stück 14 sind dies die Grundtöne H2 (= 30.87 Hz), H (= 61.74 Hz), h (= 123.47 Hz) und h' (= 246.92 Hz), wobei natürlich auch immer auch deren Oberwellen (= ganzzahlige Mehrfache der Grundwelle) mit angeregt werden
  • Im Stück 15 sind dies die Grundtöne E (= 41.2 Hz), A (= 55.0 Hz), D (= 73.4 Hz) und G (= 98.0 Hz), wobei natürlich auch immer auch deren Oberwellen (= ganzzahlige Mehrfache der Grundwelle) mit angeregt werden

Das stressige bei den tiefen Tönen ist ja, dass dort sehr hohe Auslenkungen auftreten. Im Artikel Musik verstehen mit Goldwave: Filtern Teil2 (Fortgeschrittene) (nur für Abonnenten) wird erklärt, wie man durch entsprechende Tiefpassfilterung die Auslenkung eines Chassis in einer geschlossenen Box mit einer bestimmten Resonanzfrequenz und Gesamtgüte ermitteln kann. Hier haben wir mal 2 verschiedene "virtuelle" Lautsprecher untersucht. Zum einen eine geschlossene Box mit F3=Fc=40 Hz und Qtc=0.707 (-> Disp_Max_40Hz) und dann eine sehr tief abgestimmte bzw. entzerrte Box mit F3=Fc=20 Hz und Qtc=0.707 (-> Disp_Max_20Hz):

Track Disp_Max_40Hz @ sec. Disp_Max_20Hz @ sec. Faktor
01 Jammin' 9.78% 119.9 14.10% 76.0 1.44
02 Kehleri 8.14% 276.0 12.44% 171.0 1.53
03 Akatsuki 8.15% 102.7 9.70% 102.7 1.19
04 Feuervogel 7.92% 223.9 10.21% 223.9 1.29
05 Toccata & Fuge D-Moll 5.16% 453.0 10.27% 507.5 1.99
06 Hommage a Handel 12.24% 785.3 38.83% 785.4 3.17
07 Sinfonie 3- Finale 8.04% 429.0 15.62% 429.0 1.94
08 1812 Finale 20.46% 391.2 52.28% 381.7 2.56
09 3 Einzelschläge (Große Trommel) 14.29% 1.3 23.88% 0.2 1.67
10 Wirbel (Große Trommel) 11.35% 11.6 18.47% 11.6 1.63
11 Improvisation 1 (Kontrabass) 3.09% 23.0 3.55% 23.0 1.15
12 Improvisation 2 (Kontrabass) 3.15% 50.0 3.48% 40.9 1.10
13 Improvisation 3 (E-Bass) 5.17% 11.8 9.18% 8.6 1.78
14 Oktaven H2 - H - h - h'(E-Bass) 3.80% 1.1 8.32% 1.1 2.19
15 Leere Saiten H - E - A - D - G (E-Bass) 3.72% 26.0 3.99% 1.2 1.07
16 Dreiklänge aufsteigen (Kontrabass) 3.05% 171.2 3.24% 49.2 1.06
17 Chromatische Tonleiter (Kontrabass gestrichen) 2.01% 72.8 2.56% 79.9 1.27
18 Chromatische Tonleiter (E-Bass) 5.45% 19.4 8.50% 19.4 1.56

Für eine sehr tief abgestimmte bzw. entzerrte Box sind offenbar die Stücke 8 (1812 Finale) und 6 (Hommage a Handel) an den angegebenen Stellen (@ sec.) besonders stressig. Dort beträgt die Auslenkung des Tieftöners 52.28 bzw. 38.83% des möglichen Maximums (das wäre ein Sinuston von deutlich unter 20 Hz mit Vollaussteuerung). Eine "normale" Box, die "nur" bis 40 Hz runter geht würde bei diesen Stücken "nur" eine Auslenkung von 20.46 bzw. 12.24 Hz machen, da durch die höhere unterer Grenzfrequenz die Auslenkung unterhalb dieser Frequenz nicht weiter ansteigen würde.

Die Spalte Faktor gibt das Verhältnis Disp_Max_20Hz/Disp_Max_40Hz an. Wenn die Auslenkung Disp_Max_20Hz deutlich größer als Disp_Max_40Hz ist, dann kommen offenbar noch Töne unter 40 Hz im jeweiligen Stück vor (die Spitzenreiter sind hier die Stücke 6, 8 und 14). Sofern Disp_Max_20 Hz nur wenig größer als Disp_Max_40Hz ist kommen entsprechend kaum Töne unterhalb von 40 Hz vor, das gilt z.B. für die Stücke 3, 11, 14, 15 und 16.

Hier wurde nur das Verhalten von 2 virtuellen, geschlossenen Lautsprechern betrachtet. Bei Bassreflexlautsprechern entstehen zum Teil noch deutlich höhere Auslenkungen. Während bei geschlossenen Lautsprechern das eingeschlossene Volumen als Luftfeder fungiert und so die Aufhängung des Lautsprechers versteift ist dies bei Bassreflex-Lautsprechern nicht der Fall - die arbeiten unterhalb der Bassreflexfrequenz (bei größeren Lautsprechern üblicherweise 30 bis 40 Hz) nämlich auf ein "offenes" Gehäuse und damit wie in freier Luft.

 

Fazit:

Auf der CD Natural Bass kommen eine paar Stücke vor, die den Tieftöner ganz schön stressen. Schlagzeugsolo, E-Bass, Kodo-Trommeln, Kirchenorgel oder klassische Musik - nichts davon ist ein Garant für wirklich tiefe Frequenzen. Oft werden die tiefen Frequenzen nämlich beim Mastering mit einem Hochpassfilter bei 35 oder 40 Hz reduziert, damit die ansonsten damit verbundenen hohen Auslenkungen die heimische Wald-und-Wiesen-Anlage nicht überfordern. Nur ganz selten dürfen die ganz tiefen Töne auf dem Tonträger bleiben - legendär ist die Aufnahme 1812 Finale mit echten Kanonenböllern, die denn auch tatsächlich unter 13 Hz die höchsten Pegel aufwies.

Nicht umsonst steht eine Warnung auf dem Cover dieser legendären Platte bzw. CD: denn je tiefer die untere Grenzfrequenz eines Lautsprechers desto größer sind die zu beobachtenden Auslenkungen. Beim ersten Hören sollte man insbesondere bei den Stücken 6, 8 und 9 mit dem Lautstärkeregler vorsichtig umgehen . . .

Kommentare

leifislive
9 jahre vor
Hinsichtlich Kontrabass (und das gilt für viele "klassische" Instrumente) sieht man einmal wieder, was gerne vergessen wird:
Die tiefsten Eigenmoden des Kontrabasses liegen erst über der Grundfrequenz der tiefsten Saite!. Das gilt übrigens für alle Saiteninstrumente, am wenigsten noch für die Geige. Und auch für andere Instrumentengruppe, sogar für manchen Orgelpfeifen...

Mit "normalen" Instrumenten kommt man nur mit der Orgel und großer Trommel (aber nicht mit der Bass Drum vom Schlagzeug...) deutlich unter 50Hz mit vollem Pegel.

Grüße
Diskus_GL
9 jahre vor
Hallo,

immer wieder toll mit welcher Akribie ihr soche Themen angeht - super!
Einige der Stücke haben wir bei unserem letzten HSG-Treffen bei mir auch gehört (1, 3, 8 und 10)... war schon ganz gut.
Seinerzeit lag der -3db-Punkt am Hörplatz bei mir bei ca. 25Hz... jetzt weiss cih auch was da auf der CD an tiefen Anteilen drauf ist.
Über Membranhub mache ich mir im Bass keine Gedanken... die zwei HSB21 in CB sind bei mir eh unterforrdert... aber sowas wie die Natural Bass CD kommen damit richtig gut - so nach meinem Eindruck.
Am besten gefällt mir Stück 1 und 10 - auch weil da viel Dynamik im oberen Bereich dazu kommt... das knallt und hat Wucht.

Grüsse Joachim

PS.: Meine CD (und dei eines Arbeitskollegen) war übrigens schlecht gepresst - XLD brauchte mehrere Retrys bei Einlesen in den PC.

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