Fehlersuche bei Bauvorschlägen

Jedes Mal, wenn wir nach dem einzelnen Prototypen ein Paar Boxen gebaut haben stellt sich die Frage:

- klingen beide Boxen gleich?
- klingen sie so wie der Prototyp?
- haben wir die Frequenzweiche richtig aufgebaut?
- ist ein Chassis verpolt
- usw.

Oft hilft dann natürlich, die fertige Box subjektiv mit dem Prototypen zu vergleichen. Dazu muss sie aber an derselben Stelle stehen, man muss sie also nacheinander hören. Leider ist das menschliche Hörgedächtnis nicht besonders gut ausgeprägt und vermag kleinere Unterschiede nach (Umbau-) Pausen von mehr als 10 Sekunden schon nicht mehr genau aufzulösen.

Wie wir dieses Dilemma lösen und mögliche Nachbaufehler systematisch finden beschreiben wir im folgenden Bericht anhand eines praktischen Falls.

Neulich kam ein Kunde vorbei, der sich ein Paar DreiZwo nachgebaut hat. Da er die Teile bei uns gekauft hat und in der Nähe wohnt haben wir ihm angeboten, doch mal mit seinem Paar DreiZwo vorbei zu kommen. Er hatte nämlich den Eindruck, dass mitunter die rechte Box lauter spielte und seine DreiZwo in seinem Raum nicht so gut spielten wir unsere DreiZwo in unserem Raum.

Wir haben seine DreiZwo dann erst mal auf unsere Sollposition gestellt und mit unserer Test-CD gehört (s. Musik "vergleichen" mit dem Waveanalyzer). Dabei fiel auf, dass die DreiZwo generell etwas fülliger bzw. weniger spritzig klang und bei den unteren Lagen von Männerstimmen die Stimme tatsächlich nach rechts "wegtaucht". Dann war auch die Abbildung nicht ganz so präzise in der Mitte wie wir es von unserer DreiZwo kennen. Was könnte da passiert sein?

Da die Boxen schon mal da standen haben wir kurzerhand eine Messung am Hörplatz gemacht, und zwar linke und rechte Box einzeln und gemeinsam und mit den Messungen verglichen, die wir zum Abschluss der Entwicklung gemacht haben.


-> beide Boxen zusammen sind zwischen 80 und 300 Hz zu laut


-> die linke Box allein entspricht weitgehend dem Prototyp

Bei der Messung war schon aufgefallen, dass sich das Rauschen auf der rechten Box anders angehört hat als auf der linken. Dieser Eindruck entstand nicht nur am Hörplatz sondern auch im Nahfeld, ca. 30 cm von der Front und 45° nach innen.


-> beide Boxen sind deutlich unterschiedlich am Hörplatz

Aber: kommt das durch die leicht unsymmetrische Aufstellung oder hat es eine andere Ursache? Man könnte jetzt natürlich beide Boxen nacheinander auf dieselbe Position stellen und die Messung vergleichen, aber unserer Erfahrung nach ist es schwer, kleinere Fehler mit Schalldruckmessungen genau einzukreisen, da bei Schalldruckmessungen im Hörraum einfach keine guten Rahmenbedingungen herrschen.

Eine Messung macht aber dennoch Sinn, um den Verdacht einer Verpolung zu überprüfen. Dazu wird die Impulsantwort z.B. mit ARTA z.B. in 30 oder 50 cm Abstand vom Koax gemessen und die beiden Sprungantworten der rechten und linken Box verglichen. Sollte ein Chassis verpolt sein müsste ein Teilausschlag ganz anders aussehen. Leider haben die Sprungantworten in der Regel eine unterschiedliche Y-Achse, so dass man sie nicht graphisch übereinander legen kann, sondern man muss sie für eine gemeinsame Darstellung erst als ASCII-Datei exportieren. Dann sieht es z.B in EXCEL so aus:


-> eine Verpolung liegt nicht vor

Zu diesem Zeitpunkt haben wir eine ungefähre Idee was mit den Boxen nicht in Ordnung ist: die rechte Box ist im Übergangsbereich zwischen Bass und Mitteltöner zu laut, dadurch wandern Männerstimmen in den tieferen Lagen zum Teil nach rechts. OK, aber wo ist da jetzt der Fehler?

Dazu machen wir einfach eine Impedanzmessung. Dafür braucht man kein Mikro und keinen schalltoten Raum, sondern nur ein einfach zu bauendes "Schaltung" (s. Einfache Anschlussbox für JustOct). Wer es noch einfacher haben will baut sich folgendes Kabel:

Die Impedanzmessung der kompletten Box zeigt denn auch sehr deutlich welche Box das Problem hat und wo das Problem liegt:


-> die rechte Box (rot) ist um 250 Hz DEUTLICH anders
-> beide Boxen sind im Bass zu stark bedämpft

Dank vorhandenem Boxsim-Modell kann man nun "ausprobieren", was schief gegangen sein kann. Hier wurde offenbar ein Widerstand kurzgeschlossen:

Dies kann auch "unbeabsichtigt" beim Einbau der Weiche passiert sein.




Und die Moral von der Geschicht . . .

Die Fehlersuche per Schalldruckmessung gestaltet sich oft schwierig. Viel einfacher ist eine Impedanzmessung, die sofort aufzeigt, welche der beiden Boxen dem Soll-Impedanzgang (im Bauvorschlag veröffentlicht) nicht entspricht und in welchem Frequenzbereich das stattfindet (d.h. in welchem Zweig man den Fehler suchen sollte). Sofern ein Boxsim-Modell des Bauvorschlages vorliegt (bei HiFi-Selbstbau ist das seit 2008 Standard) kann man durch Ausprobieren leicht herausfinden, was da schief gegangen ist. Man könnte ja auch einen 2.2 Ohm Widerstand gegen einen 4.7 Ohm Widerstand vertauscht haben etc. Wenn man dann die Box aufmacht und die Weiche ausbaut wird sich der Fehler in den meisten Fällen bestätigen und muss "nur noch" behoben werden. Wer will schon die Weiche mehrfach ausbauen . . .

Die Verpolung eines Chassis hat allerdings elektrisch keinen Einfluss, so dass ein solcher Fehler nur akustisch (z.B. durch Messung der Sprungantwort) gefunden werden kann. Auch dafür ist kein schalltoter Raum oder ein kalibriertes Mikrofon nötig, denn ob eine Spitze der Sprungantwort nach "oben" oder nach "unten" geht zeigt auch ein Billigstmikro.

Sollte man einen Kurzschluss in der Weiche "verbockt" haben würde eine ganz zu Anfang zur Kontrolle durchgeführte Impedanzmessung auch den Verstärker vor einem Kurzschluss bewahren, denn es liegt ja immer ein Referenzwiderstand in Reihe zum Lautsprecher, der den Kurzschluss dann ggf. verhindert.

Besonders bei Hochtönern stellen wir immer wieder fest, dass die Fertigungskonstanz zu wünschen übrig lässt. Mindestens eines von vier Paaren müssten wir eigentlich zurückschicken, da die Resonanzfrequenzen untereinander um mehr als 20% abweichen (z.B. 900 und 1100 Hz) bzw. um mehr als +/- 10% vom Sollwert. Auch deutlich unterschiedlich hohe Impedanzmaxima (und damit Qmc-Werte) deuten darauf hin, dass bei einem der beiden Lautsprecher die mechanischen Verluste (in der Regel durch Reibung im Luftspalt) zu groß sind. Wir empfehlen daher immer eine "Eingangskontrolle" durch eine Impedanzmessung.