Die Mitteltonsektion der VISATON Monitor 890
Die VISATON Monitor 890 gibt es schon seit vielen Jahren, mittlerweile in der 3. Überarbeitung als 890 MkIII. Die 890 MkII erhielt im Heft 7/1998 der Zeitschrift STEREO das Testurteil "exzellent" (s. Link) und im Heft 4/1998 der Zeitschrift image-HiFi das Testurteil "ausgezeichnet" (s. Link).
Quelle: VISATON Produktseite Monitor 890 Mk III
Die erste Version der VISATON Monitor hieß noch TL-Monitor 860 D und stammt aus dem Jahr 1986 (s. Bauvorschlag). Die zweite Version hieß dann im Jahr 1990 schon Monitor 890 D (s. Bauvorschlag) und bekam einen sehr guten Test in der STEREOPLAY 6/1989. Im Jahr 1991 hieß sie nur noch Monitor 890 (s. Bauvorschlag), und 1998 gab es dann die Monitor 890 MkII (s. Bauvorschlag). Ab wann es die MkIII gab haben wir leider nicht herausfinden können, der Grund für die Umbenennung war jedenfalls der Wechsel des Tieftöners vom TIW 360 zum TIW 300.
Auch die anderen Umbenennungen waren durch Änderungen der Tieftöner begründet, die Mittel- und Hochtonsektion blieb all die Jahre unverändert. Da wir uns vor kurzem mit Smith-Hörnern beschäftigt haben (s. Smith-Horn als Nachbau und Smith-Horn, Nachbau Nr.2) wollen wir uns heute der Mitteltonsektion der Monitor 890 widmen, deren Horn zumindest an das Design des Smith-Horns angelehnt ist:
- in der Aufsicht zeigt sich ein Kreissegment mit einem Radius von 388 mm und einem Öffnungswinkel von 120° - typisch für ein Smith-Horn
Quelle: VISATON Produktseite M300 - der Hornanfang hat eine Höhe von 30 mm und eine Breite von 40 mm, da der Adapter AD-25H den Treiberdurchmesser von 1" auf dieses Maß transformiert
- ca. 15 mm hinter dem Hornanfang sind 3 "Smith-Horn-Finnen" erkennbar - ohne "Verteilerstück"
Quelle: TLHP Produktseite VISATON M300 - diese enden ca. 115 mm vor dem Hornmund; vor dort aus erweitert sich der Hornquerschnitt nur noch in der Vertikalen von 30 auf 90 mm
Quelle: VISATON Bauanleitung Monitor 890 Mk III
Das VISATON M 300 ist daher eine Mischung aus einem Smith-Horn (konstanter horizontaler Öffnungswinkel, X-Smith-Horn-Teiler, konstante Höhe) und einem FOSTEX H200 (konstanter horizontaler Öffnungswinkel, die Öffnungsfunktion des Horns wird ausschließlich durch Variation der Höhe erreicht).
Als Treiber kommt natürlich - wie in der Monitor 890 Mk III - der VISATON DR45N aus aktueller Produktion zum Einsatz. Die schön anzusehenden Multiplex-Hörner sind ja leider nicht mehr verfügbar, wir haben uns für unseren Test die Multiplex-Hörner der VISATON-Vorführlautsprecher der Monitor 890 Mk III ausleihen können ;-)
Impedanzmessungen:
Während der DR45N allein nur 2 Impedanzspitzen bei 900 Hz und 2 kHz zeigt sieht man bei der Kombination mit dem AD 25 H und dem M300 zahlreiche Impedanzmaxima unter 2 kHz, z.B. bei 350, 600, 800, 1000 und 1300 Hz.
Im Folgenden wurden auf unserer Drehvorrichtung Schalldruckmessungen in horizontaler und vertikaler Richtung mit JustOct (0/15/30/45/60/75°) durchgeführt:
Schalldruckmessungen unter Winkeln:
Normalerweise nehmen wir als "Drehpunkt" immer die Mitte des Hornmundes - aber bei der VISATON Monitor 890 Mk III ist ja der (Super-) Hochtöner nach hinten versetzt um die SchallEntstehungsOrte (kurz: SEO) anzugleichen. Daher haben wir hier zusätzlich auch das horizontale und vertikale Rundstrahlverhalten mit Drehachse um die Vorderkante des Hochtöners gemessen (mehr Versatz nach hinten ließ unsere Drehvorrichtung leider nicht zu). Diese Ergebnisse sind an dem kleineren Messabstand zur Vorderkante zu erkennen ("nur" 112 cm statt 139 cm, s. Legende), da das Mikrofon bei beiden Messung an derselben Stelle war.
Zunächst die Ergebnisse in horizontaler Richtung bei Drehung um den Hornmund (Messabstand 139cm):
Und nun die Ergebnisse in horizontaler Richtung bei Drehung um den hinteren Punkt (Messabstand 112 cm):
Der Frequenzgang auf Achse sieht bei beiden Drehpunkten zwischen 600 Hz und 9 kHz recht linear aus - bis auf den 6 dB tiefen Einbruch um 2.7 kHz. Der Mittelwert beträgt 101.49 dB (112 cm) bzw. 101.66 dB (139 cm), die Standardabweichung +/- 2.16 dB bzw. +/- 2.53 dB.
Auffällig ist das "Aufbäumen" des Frequenzgangs um 350 Hz (s.a. Impedanzverlauf): hier ist die Lauflänge von der Membran des DR45N (ca. 20 mm) über den Adapter AD 25 H (+ 70 mm) bis zum Hornmund (+ 385 mm) ca. 475 mm, das entspricht ziemlich genau der halben Wellenlänge bei 350 Hz (= 490 mm) - eine am Hornmund zurückreflektierte Schallwelle würde sich konstruktiv addieren . . .
Unter verschiedenen horizontalen Winkeln sieht der Bereich zwischen 600 und 1500 Hz bei Drehung um den hinteren Punkt (Messabstand zum Hornmund nur 112 cm) ausgewogener aus und ähnelt in dem Bereich mehr dem Constant-Directivity-Verhalten.
Zwischen 3 und 8 kHz ist der Verlauf unter 30° fast identisch mit dem Frequenzgang auf Achse, während der Frequenzgang unter 15° in dem Bereich um bis zu 8 dB einbricht. Wie schon bei den anderen Smith-Hörnern beobachtet ist der Frequenzgang in Richtung der "Finnen" (hier also 0°, +/- 30° und +/- 60°) größer als in Richtung der "Zwischenräume" (hier also +/-15°, +/- 45° und +/- 75°).
Und nun dasselbe in vertikaler Richtung (Messabstand oben 139 cm / unten 112 cm):
Unter verschiedenen vertikalen Winkeln sieht der Bereich zwischen 600 und 1500 Hz bei Drehung um den hinteren Punkt (Messabstand zum Hornmund nur 112 cm) ausgewogener aus und ähnelt mehr dem Constant-Directivity-Verhalten.
Bis 3 kHz ist die Abstrahlung in vertikaler Richtung sehr breit und bricht darüber stark ein: oberhalb von 5 kHz ist der Schalldruckpegel bei allen Winkeln um mindestens 10 dB gegenüber Achse abgefallen (bei 15° nur 2 dB).
Aus den Frequenzgängen unter Winkeln lässt sich der winkelgewichtete Schalldruck und der Bündelungsgrad berechnen (Messabstand oben 139 cm / unten 112 cm):
Beim winkelgewichteten Schalldruck (linke Diagramme) ist im Bereich von 600 bis 1500 Hz beim hinteren Drehpunkt (unteres Diagramm) wieder ein gleichmäßigeres, weniger welliges Verhalten erkennbar - vor allem vertikal. Das gilt auch für den Bündelungsgrad (rechte Diagramme), dort sogar auch zwischen 5 und 9 kHz. Die Frequenzen, bei denen die Welligkeiten auftreten kennen wir bereits aus der Impedanzmessung . . .
Messung des Rundstrahlverhaltens:
Zusätzlich wurden auf unserer Drehvorrichtung Schalldruckmessungen in horizontaler und vertikaler Richtung mit ARTA in 5°-Schritten von 0° bis 90° durchgeführt:
Das grundlegende Verhalten sieht bei beiden Drehpunkten ähnlich aus. Gut ist beim horizontalen Rundstrahlverhalten oberhalb von 4.5 kHz das "Fingering" zu erkennen (s. audioXpress Horn Theory: An Introduction, Part 2), wobei die Schalldruckerhöhungen in Richtung der "Finnen" auftreten (also bei 0° und +/- 30°) und die Einbrüche dazwischen bei +/- 15° (und +/- 45°). Sofern man das M300 nur bis 4 kHz nutzt kann man das Fingering mit einem passenden Hochtöner "umschiffen" . . .
Man kann die Messergebnisse auch als Polardiagramm darstellen (nur mit "hinterem" Drehpunkt):
In horizontaler Richtung strahlt das M300 bis 4 kHz recht gleichmäßig und behält seinen Öffnungswinkel von +/- 70° bis hinunter zu 600 Hz. Oberhalb von 4 kHz beträgt der Öffnungswinkel im Mittel nur noch 44° +/- 22°.
Vertikal ist die Abstrahlung bis 2.5 kHz sehr breit (bis +/-90° kein Abfall > -6 dB -> Öffnungswinkel > 180°), darüber beträgt der Öffnungswinkel im Mittel nur noch 39° +/- 15°.
ARTA gibt weitere Kennwerte für das Rundstrahlverhalten an, den Directivity Index (DI) und den Öffnungswinkel (Angle):
Linearitätscheck:
Uns interessierte nicht nur das Rundstrahlverhalten sondern auch, ob die Kombination aus VISATOM M 300, AD 25 H und DR45N auch bei hohen Pegeln linear bleibt. Dazu haben wir unseren Linearitätscheck durchgeführt (s. So messen wir Lautsprecherchassis (Punkt 10)).
Wenn man das Anregungssignal bei 800 Hz hochpassfiltert (12 dB/Oktave) sieht das bei Anregung mit 0.18 bis 18 Watt (= 94 bis 114 dB) so aus:
-> bis 114 dB sind nur sehr sporadisch Kompressionseffekt > 0.5 dB erkennbar - vor allem im Bereich des Frequenzgangeinbruchs um 2.5 kHz
Erhöht man die Lautstärke um weitere 6 dB (Anregung mit 0.72 bis 72 Watt), dann sieht es so aus:
-> bis 118 dB sind nur sehr sporadisch Kompressionseffekt > 0.5 dB erkennbar - vor allem im Bereich des Frequenzgangeinbruchs um 2.5 kHz und < 1000 Hz
Frequenzgangmessungen mit CELESTION CDX1-1747:
Interessehalber wurde der Schalldruck bei 0/15/30/45/60 und 75° (horizontal) gemessen . . .
. . . und daraus der winkelgewichtete Schalldruck berechnet und mit der Kombination DR45N + M300 verglichen:
Betrachtet man den winkelgewichteten Schalldruck (horizontal) so zeigt sich, dass der DR45N zwischen 600 und 1220 Hz im Mittel ca. 3 dB lauter ist als der CELESTION CDX1-1747, der wiederum oberhalb von 1900 Hz um bis zu 8 dB lauter ist. Als Mitteltontreiber ist der DR45N die deutlich bessere Wahl - braucht dann aber die Unterstützung durch einen Superhochtöner wie den VISATON TL 16 H . . .
Fazit:
Das Mitteltonhorn der Monitor 890 aus Multiplex sieht einfach schick aus - schade, dass es nicht mehr von VISATON verfügbar ist. Es zeigt im Nutzbereich von 800 Hz bis 4.5 kHz ein breites horizontales Rundstrahlverhalten, das bis hinunter zu 600 Hz etwa +/- 60° beträgt - Respekt! Darüber zeigt sich ein "Fingering"-Verhalten mit linearem Frequenzgang bei 0 und +/- 30° und 9 dB Pegelabfall bei +/- 15 bzw. +/- 45° bei 5 kHz.
Vertikal strahlt die Kombination aus DR45N, AD 25 H und M300 unterhalb von 3 kHz allerdings extrem breit (Decken- und Bodenreflexionen lassen grüßen) und bündelt darüber plötzlich eher stark (+/- 30° bei 3 kHz, +/- 15° bei 10 kHz) - Constant-Directivity würde sich da anders verhalten.
Die breite horizontale und vertikale Abstrahlung war früher beliebt - da hatte man ja auch noch ganzflächigen Teppichboden, plüschige Polstermöbel und schwere Vorhänge und damit kurze Nachhallzeiten. Heute sieht es in den Wohnzimmern ganz anders aus: wenig absorbierender Bodenbelag aus Laminat/Parkett, Vinyl oder Fliesen mit kleinem Alibi-Teppich, "coole" Ledermöbel und leichte Vorhänge oder Vertikallamellen ergeben lange Nachhallzeiten und damit einen hohen Diffusschallanteil. Da benötigt man eine gerichtete Abstrahlung und eine Ausrichtung der Lautsprecher auf den Hörplatz um Reflexionen an den Raumbegrenzungsflächen zu reduzieren und so den Direktschallanteil zu erhöhen - oder massive raumakustische Maßnahmen.
Aus heutiger Sicht ist die breite Abstrahlung der Smith-Hörner also eher ein Nachteil. Insgesamt ist der Frequenzgang der Mitteltonsektion der Monitor 890 Mk III weniger wellig als bei den beiden anderen Kandidaten und damit etwas im Vorteil. . . .
Alles in Allem ist die Reihe der Smith-Hörner nun für uns abgeschlossen. Wir denken wir haben uns hinreichend damit beschäftigt und gezeigt was diese Hörner können und was nicht. Es ist verständlich wenn man für diese alten Schätzchen "romantische Gefühle" hat, geht uns nicht anders. Nüchtern betrachtet muss jeder für sich selber entscheiden ob er der Nostalgie nachgehen will.
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